FRANKFURTER APPELL

13. Oktober 2020

ABRÜSTEN STATT AUFRÜSTEN – NEUE ENTSPANNUNGSPOLITIK JETZT!

Erklärung der „Initiative abrüsten statt aufrüsten“

Das Gespenst des Kalten Krieges ist zurück. Die Welt steht am Rande des Friedens, denn sie wird zu einer zerbrechlichen Einheit. Das Krebsgeschwür des Nationalismus breitet sich aus. Soziale Ungleichheiten spitzen sich zu. Die globale Klimakrise bedroht die Menschheit. Kriege und Naturzerstörung sind entscheidende Gründe für Flucht und Vertreibung. Die Corona-Pandemie ist ein Beleg dafür, dass die sozialen und ökologischen Schutzschichten des menschlichen Lebens dünn geworden sind. Es drohen neue Verteilungskämpfe – national, europäisch, global. Das 21. Jahrhundert wird entweder ein Jahrhundert neuer Gewalt oder ein Jahrhundert des nachhaltigen Friedens. Darüber entscheiden wir heute. Wir brauchen zivile Antworten, bei uns, in Europa und weltweit.

Ein neuer Rüstungswettlauf ist bereits in vollem Gange. Konflikte, Kriege und bewaffnete Auseinandersetzungen tragen zu Flucht und Migration bei.

Abrüstung findet nicht statt, zentrale Vereinbarungen der Rüstungskontrolle wurden aufgekündigt. Neue Atomwaffen werden stationiert. Die weltweiten Militärausgaben erreichen neue Rekordhöhen; allein auf die zehn Länder mit den höchsten Rüstungsausgaben entfallen 75 Prozent. Und sie sollen weiter gesteigert werden. Deutschland liegt auf Platz sieben und hatte 2019 den höchsten Zuwachs unter den ersten 15 Staaten. Bei den Waffenexporten erreicht unser Land den skandalösen Rang fünf. Der Wahnsinn muss gestoppt werden. Andernfalls drohen neue Verteilungskämpfe zulasten sozialer und ökologischer Reformen.

Auf- und Hochrüstung ist keine Antwort auf die großen Herausforderungen unserer Zeit. Sie verschärft die Gefahr neuer Kriege und verschwendet wertvolle Ressourcen, die für eine friedliche Weltordnung dringend gebraucht werden – für den Klimaschutz, die Bekämpfung der Fluchtursachen, die Entwicklungszusammenarbeit und die Verwirklichung der Menschenrechte. Die doppelte Gefahr eines Selbstmords der menschlichen Zivilisation ist denkbar geworden, durch die Hochrüstung genauso wie durch die ungelösten sozialen und ökologischen Krisen.

Unsere Welt ist auf Gegenseitigkeit angewiesen, um Frieden zu schaffen und dauerhaft Abrüstung und Frieden zu verwirklichen. Für eine neue Entspannungspolitik in gesamteuropäischer Perspektive ist eine starke Zivilgesellschaft notwendig, nicht Spaltung und Ausgrenzung und schon gar nicht ein neuer Nationalismus. Das Friedensprojekt eines zivilen Europas muss nach wie vor zum Vorbild für andere Weltregionen werden. Verantwortung übernehmen heißt deshalb: abrüsten statt aufrüsten.

Im November 1980 wurde der Krefelder Appell vorgestellt, mehr als fünf Millionen Bundesbürger*innen haben ihn unterstützt. Damals lehnte die Friedensbewegung die Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen in Europa ab. Das fordern wir auch heute. In erster Linie wenden wir uns gegen das Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für militärische Ziele auszugeben.

Wir fordern eine neue Friedens- und Entspannungspolitik, ein System gemeinsamer Sicherheit und kontrollierter Abrüstung. Der Rüstungsexport an Krisenregionen, an kriegsführende Staaten und an diktatorische oder autokratische Regime muss schnellstmöglich beendet werden. Die Bundeswehr darf nicht mit bewaffneten Drohnen ausgestattet werden. Wir wollen ein atomwaffenfreies Deutschland und sprechen uns für eine weltweite Ächtung autonomer Waffensysteme aus.

Das Gebot der Stunde lautet: Investitionen in die soziale und ökologische Gestaltung der Transformation – in Hochschulen, Schulen und Kitas, in den sozialen Wohnungsbau, in die öffentliche Infrastruktur, in mehr soziale Sicherheit und in den Klimaschutz und eine ökologische Kreislaufwirtschaft. Denn wer den Frieden will, muss für den Frieden kämpfen.

Wir rufen auf zum bundesweiten Aktionstag für „Abrüstung und neue Entspannungspoli-tik“ am 5. Dezember 2020. Mitmachen!

Arbeitsausschuss der Initiative „abrüsten stattaufrüsten“

Reiner Braun (International Peace Bureau), Barbara Dieckmann (Welthungerhilfe), Thomas Fischer (DGB), Philipp Ingenleuf (Netzwerk Friedenskooperative) Christoph von Lieven (Greenpeace), Michael Müller (Naturfreunde, Staatssekretär a. D.), Willi van Ooyen (Friedensratschlag), Miriam Rapior (BUNDjugend, Fridays for Futures), Uwe Wötzel (Ver.di), Thomas Würdinger (IG Metall), Olaf Zimmermann. (Deutscher Kulturrat).

Frankfurt, den 11. Oktober 2020

Für Frieden und Abrüstung – Keine Bundeswehr im Wuppertaler Gesundheitsamt

10. Oktober 2020

Erich Kästner: Verdun, viele Jahre später (1932)

Auf den Schlachtfeldern von Verdun

finden die Toten keine Ruhe.

Täglich dringen dort aus der Erde

Helme und Schädel, Schenkel und Schuhe.

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Über die Schlachtfelder von Verdun

laufen mit Schaufeln bewaffnete Christen,

kehren Rippen und Köpfe zusammen

und verfrachten die Helden in Kisten.

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Oben am Denkmal von Douaumont

liegen zwölftausend Tote im Berge.

Und in den Kisten warten achttausend

Männer vergeblich auf Särge.

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Und die Bauern packt das Grauen.

Gegen die Toten ist nichts zu erreichen.

Auf den gestern gesäuberten Feldern

liegen morgen zehn neue Leichen.

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Diese Gegend ist kein Garten,

und erst recht kein Garten Eden.

Auf den Schlachtfeldern von Verdun

stehn die Toten auf und reden.

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Zwischen Ähren und gelben Blumen,

zwischen Unterholz und Farnen

greifen Hände aus dem Boden,

um die Lebenden zu warnen.

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Auf den Schlachtfeldern von Verdun

wachsen Leichen als Vermächtnis.

Täglich sagt der Chor der Toten:

„Habt ein besseres Gedächtnis !“

in: Gedichte gegen den Krieg, herausgegeben von Kurt Fassmann, 1961, München, Seite 148

Das Superwahljahr 2021 wird zum Schlüsseljahr im Kampf gegen die AfD

10. Oktober 2020

Die Aktivenkonferenz 2020 von Aufstehen gegen Rassismus erklärt:

Vom offenen Schulterschluss mit Nazis über den Skandal um den rechten ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen bis hin zur Beteiligung an der rechten Demo in Chemnitz, die im August 2018 zu Hetzjagden auf Migrant*innen führte, hat sich die AfD immer weiter radikalisiert und schien dabei immer stärker zu werden. Die kontinuierliche Radikalisierung der AfD und ihre offenen Verbindungen in die außerparlamentarische Neonazi-Szene wurden von den Nationalkonservativen in der Parteiführung gedeckt. Deren Deal mit dem Flügel um Höcke und Kalbitz hielt über drei Jahre vom Frühjahr 2015 bis zum Herbst 2018.

Dann demonstrierten am 13.10.2018 unter dem Motto #unteilbar eine Viertelmillion Menschen in Berlin. Sie drückten das Unbehagen in breiten Teilen der Bevölkerung aus und verstärkten die unzähligen lokalen antifaschistischen und antirassistischen Mobilisierungen der letzten Jahre. Die großen Proteste nach den Morden in Hanau und die Mobilisierungen von Black Lives Matter, die besonders von migrantischen Selbstorganisationen getragen wurden, sowie die Welle an Solidarität mit den Geflüchteten auf Lesbos und den anderen griechischen Inseln benennen Rassismus als wesentliches Problem der deutschen Gesellschaft und ihrer Institutionen und machen deutlich, dass vor allem junge Menschen das nicht länger akzeptieren wollen.

Mit dem Mord an Walter Lübcke – der Mörder hatte Wahlkampf für die AfD gemacht und auf der von Höcke initiierten Demonstration in Chemnitz am 1.9.2018 den Entschluss zur Tat gefasst – und den Attentaten von Halle und Hanau wurden auch im bürgerlichen Lager die Stimmen lauter, die die AfD als eine in Teilen faschistische Partei erkannten und benannten.

Der Konflikt um den Ausschluss von Andreas Kalbitz zeigt, dass der Konflikt zwischen den beiden Lagern innerhalb der AfD enorm groß ist. Das Aufbrechen dieses Konflikts ist hauptsächlich das Ergebnis des Druckes von der Straße, den wir und viele andere in den letzten Jahren aufgebaut haben.

Der bis 2018 ungebremste Aufstieg der AfD ist gestoppt, das Bündnis von Nationalkonservativen und Faschist*innen in der AfD ist aufgebrochen und hat Risse bekommen. Die Gefahr des Wiederentstehens einer faschistischen Partei mit Masseneinfluss ist damit aber noch nicht gebannt.

Ein neues Element sind die „Querdenken“-Demonstrationen, die von der AfD und der weiteren extremen Rechten genutzt werden, um eine neue „Pegida-artige“ Bewegung zu initiieren, aus der sie schöpfen können. Die AfD präsentiert sich als „Verteidigerin der Demokratie und Freiheit.“ Der Naziflügel ruft zusammen mit Reichsbürger*innen zum Sturz der „Corona-Diktatur“ auf.

Für die AfD als Sammelbecken und Katalysator der faschistischen Rechten ist es von zentraler Bedeutung, ihre internen Widersprüche so gut es geht zu deckeln und zugleich neue Personenkreise anzusprechen.

Der interne Konflikt der AfD hat zunächst das nationalkonservative Lager hinter Meuthen gestärkt. Momentan ist nicht von einer Spaltung der AfD auszugehen, die beiden Lagern schaden würde, sondern eher von einem neuen Deal mit dem „Flügel“, der die AfD durch das nächste Wahljahr bringen soll. Doch auch dieser Deal kann jederzeit wieder platzen. Es ist deshalb wichtig, mit dem Druck auf die AfD nicht nachzulassen und nicht auf die angebliche Deradikalisierung der Partei hereinzufallen.

Uns ist wichtig herauszustellen: Auch Jörg Meuthen vertritt keine „gemäßigte“ Strömung. Er und seine politischen Freund*innen sind reaktionär und nationalistisch. Sie unterscheiden sich in ihren rassistischen, antidemokratischen, emanzipationsfeindlichen und militaristischen Haltungen nicht grundsätzlich vom offen faschistischen Flügel.

Sie unterscheiden sich vom „Flügel“ nur in ihren Vorstellungen zur Erlangung der politischen Macht. Meuthen hat Kalbitz lange Zeit gedeckt und war selbst dreimal bei den jährlichen Kyffhäusertreffen des „Flügels“ als Redner dabei. Unter dem enormen öffentlichen Druck musste sich der „Flügel“nach außen hin auflösen. Aber die faschistischen Funktionär*innen sind – von wenigen Ausnahmen abgesehen – weiter in der AfD; sie werden einen Schritt zurück treten, um ihre Chance zu einem späteren Zeitpunkt wieder wahrzunehmen.

Deshalb hat unser Slogan „Wer AfD wählt, wählt Nazis“ weiterhin Bestand.

  • Wir werden im Wahljahr deutlich machen, dass die AfD nicht die Vorkämpferin für Demokratie und Freiheit ist, sondern deren Totengräberin.
    Unsere Antwort auf Verschwörungsmythen und die Rücksichtslosigkeit der „Querdenker*innen“ ist Solidarität.
  • Wir werden die Proteste gegen die nach rechts offenen Querdenken-Demonstrationen und die Anwesenheit von AfD und anderen Faschist*innen weiter unterstützen und einen Beitrag dazu leisten, diese Proteste auszuweiten.
  • Wir stellen für die Wahlkämpfe 2021 unsere Kampagne unter das Motto „Wer AfD wählt, wählt Nazis“ und laden befreundete Initiativen und Organisationen ein, sich daran zu beteiligen.
  • Wir unterstützen kommunale, landes- und bundesweite Kampagnen gegen die AfD in den Kommunal- und Landtagswahlen sowie in der Bundestagswahl 2021.
  • Wir unterstützen antirassistische Mobilisierungen wie Black Lives Matter u.a. im Kampf gegen alltäglichen Rassismus und den strukturellen Rassismus durch die Polizei und andere Behörden. Wir nehmen die politisch Verantwortlichen in die Pflicht, für die Sicherheit aller Menschen in diesem Land zu sorgen. Rassistische Hetze darf nicht länger als „Meinungsfreiheit“ verharmlost werden.
  • Wir weiten unsere Stammtischkämpfer*innen-Seminare aus.
  • Wir bringen den internationalen Austausch und die Vernetzung mit anderen Bewegungen voran – z.B. zum Internationalen Aktionstag gegen Rassismus 2021

»Dann sollte er nicht kandidieren«

24. September 2020

Junge Welt vom 25.September 2020 – Wuppertal: Kritik am gemeinsamen OB-Kandidaten von Grünen und CDU wegen der Verbindung zum rechten Publizisten Tichy. Gespräch mit Sebastian Schröder

Henning von Stoltzenberg

An diesem Sonntag stehen in NRW mehrere Stichwahlen an. Auf dem Posten des Wuppertaler Oberbürgermeisters will Uwe Schneidewind, nominiert von Bündnis 90/Die Grünen und der CDU, den SPD-Amtsinhaber ablösen. Warum fordern Sie von dem Wirtschaftswissenschaftler eine klare Abgrenzung nach rechts?

Schneidewind hat im Heft »Klimaschutz und Marktwirtschaft« in der Veröffentlichungsreihe »Wohlstand für alle« der »Ludwig-Erhard-Stiftung« einen Beitrag plaziert. Dagegen gab es schon am Tag des Erscheinens am 30. Juni von verschiedenen Leuten Kritik, denn die Stiftung wird bislang noch von Roland Tichy geleitet. Er ist der vielleicht bekannteste rechte Journalist Deutschlands, Herausgeber von »Tichys Einblick« und hat Verbindungen zum konservativen Entscheidermillieu der BRD. In »Tichys Einblick« schreiben Leute wie Thilo Sarrazin und Hans-Georg Maaßen. In besagter Broschüre haben auch mehrere Autoren Beiträge veröffentlicht, die der AfD nahestehen. Von einigen wird »Fridays for Future« scharf angegriffen. Es sind nicht alle Autoren – es ist übrigens nur eine Frau darunter – stramm rechts, aber durch das Framing handelt es sich um eine strukturell reaktionäre Broschüre. Sie sollte übrigens als Beilage in überregionalen Tageszeitungen kostenlos unter die Leute gebracht werden, wie Schneidewind in seiner Mail an die VVN mitgeteilt hat.

Mittlerweile hat sich Schneidewind von Tichy distanziert. Das reicht allerdings nicht aus, wenn sein Text weiterhin den rechten Herausgebern zur Verfügung steht und der Name Schneidewind als liberales Feigenblatt benutzt werden kann. Wir haben ihn zweimal aufgefordert, seinen Artikel zurückzuziehen, dies macht er wohl nicht. Auf unsere zweite Nachricht hat er nicht mehr persönlich geantwortet.

Wieso überrascht es Sie, dass ein bürgerlicher Ökonom wenig Berührungsängste nach rechts hat? Hat es dafür in der Gesellschaft nicht schon ausreichend Beispiele gegeben?

Die VVN prangert Verbindungen nach rechts grundsätzlich an. Gerade weil in Deutschland viele Bürgerliche schon immer von rechts fasziniert oder selbst Teil der Rechten waren, ist der Kontakt von Schneidewind zu Tichy nichts Besonderes. Da er aber liberale Positionen vertritt, sollte er nicht in einem solchen Umfeld publizieren. Damit stößt er die vielen antifaschistisch orientierten und engagierten Menschen in Wuppertal vor den Kopf, und dann sollte er nicht als Oberbürgermeister der Stadt kandidieren.

Wie verhalten sich die Grünen in der Angelegenheit? Zeigt die Ökopartei zumindest verbal mehr Skrupel als die CDU?

Seit 2018 bilden CDU und Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat von Wuppertal eine Koalition, die aber keine Mehrheit hat. Zur Durchsetzung ihres Kandidaten für einen wichtigen Dezernentenposten haben sie Anfang 2019 zunächst eine geheime Abstimmung beantragt, um dann mit den zwei Stimmen von »Pro Wuppertal« ihren Mann zu etablieren. Die sogenannte Bürgerbewegung »Pro Wuppertal« ist extrem rechts. Ein solcher Vorgang hat sich im Februar 2020 trotz Gegenwindes von Antifaschisten wiederholt. Die fortschrittlichen Wuppertalerinnen und Wuppertaler sind deshalb sehr sensibel, was die Verbindungen von »Schwarz-Grün« zu »Braun« angeht. Im neuen Stadtrat haben CDU und Grüne wieder keine Mehrheit. Nun besteht für die kommenden fünf Jahre die Gefahr, dass beide Parteien auf die fünf Stimmen der AfD zurückgreifen, um Abstimmungen für sich zu entscheiden.

Wie positionieren sich andere Parteien und Initiativen in der Sache?

Unterstützt wurde die VVN Wuppertal umgehend von der Linkspartei und deren Oberbürgermeisterkandidaten Bernhard Sander, der unsere Pressemitteilung sofort auf seiner Kampagnenseite veröffentlicht hat. Nach der ersten Abstimmung mit den Rechten 2019 hat es eine breite Debatte in den antifaschistischen und linken Zusammenhängen gegeben, und alle haben sich entsetzt gezeigt. In der Folge konnte die VVN das Thema auch in breiten bürgerlichen Kreisen bekannt machen.

Sebastian Schröder ist Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) in Wuppertal

https://www.jungewelt.de/artikel/387055.liberales-feigenblatt-dann-sollte-er-nicht-kandidieren.html

Rede auf der Gedenkveranstaltung am 15. September 2020, Friedhof Norrenberg

21. September 2020

Von Dirk Krüger, Kreissprecher der VVN-BdA Wuppertal

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wie in jedem Jahr wurde meine Organisation, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), auch in diesem Jahr zu dieser wichtigen Mahn- und Gedenkveranstaltung als Redner eingeladen.

Dafür möchten wir uns ganz herzlich bedanken!

Bedanken möchten wir uns aber besonders für die unendlich wichtige Erinnerungsarbeit, die die Organisatoren in jedem Jahr leisten – und das bereits seit vielen Jahren!

Auch die VVN hat sich seit ihrer Gründung 1945 zum Ziel gesetzt, die Erinnerung an die Verbrechen des Faschismus immer und immer wieder ins Gedächtnis zu rufen und zum aktiven Handeln zu motivieren.

Das könnte der Grund sein, warum es ernstzunehmende und gefährliche Aktivitäten gibt, der VVN die Gemeinnützigkeit abzuerkennen.

Dagegen gibt es viel Proteste und Solidarität, die uns ermuntern und stärken.

Was viele vielleicht gar nicht wissen – und deswegen wollen wir heute darauf hinweisen -: wir haben – heute muss ich sagen, wir hatten – in Wuppertal eine „Kommission für eine Kultur des Erinnerns“ – so der offizielle Titel. Darin sind (waren) wichtige Mandatsträger (gemeint sich Ratsmitglieder) und weitere bekannte Wuppertaler Persönlichkeiten vereint.

Unbekannt ist, warum diese Kommission nicht zu den Unterzeichnern und Aufrufern für diese Veranstaltung gehört. Vielleicht ändert sich das mit dem neuen Stadtrat.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

In diesem Jahr konnte aus den bekannten Gründen die Gedenkveranstaltung nicht am 8. Mai durchgeführt werden. Darauf wurde schon hingewiesen.

Ich denke, der Ausweichtermin 15. September wurde mit Bedacht gewählt, denn an diesem 15. September im Jahr 1935, also heute vor genau 85 Jahren, wurden auf dem NSDAP „Parteitag der Freiheit“ – wie es zynisch hieß – die Nürnberger Rassegesetze verabschiedet.

Das Gesetz mit dem Namen „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ wurde von den Nazis kurz und zynisch „Blutschutzgesetz“ genannt.

Dem vorausgegangen war bereits am 7. April 1933 das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ mit dem „nichtarische Beamte“ entlassen wurden. Es folgten die Künstler, und mit dem „Reichsbürgergesetz“ die Notare, Hebammen, Apotheker und viele andere Berufsgruppen.

Diese Erinnerungsarbeit ist und bleibt wichtig, denn die Erinnerung hat einen mächtigen Feind: Das Vergessen!

Deswegen haben auch viele Historiker, die sich mit dem Thema Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beschäftigt haben, solche Überschriften gewählt: „Nach 1945: Vergessene Opfer, vergessene Lager“ oder „Vergessene Opfer – Zwangsarbeit im Nationalsozialismus“.

Ich möchte noch einmal das ganze Ausmaß dieses Nazi-Verbrechens in Erinnerung rufen.

In Deutschland wurde die NS-Zwangsarbeit – trotz ihrer Verurteilung in den Nürnberger Kriegsverbrecher Prozessen – seitens der Politik und der Gerichte jahrzehntelang als übliche Begleiterscheinung von Krieg und Besatzung bezeichnet und damit zugleich bagatellisiert, nicht aber als Nazi-Verbrechen anerkannt.

Dabei war bereits früh klar: Über acht Millionen Zwangsarbeiter aus 20 europäischen Ländern lebten und schufteten in über 30.000 Lagern in Deutschland. Ein Drittel von ihnen waren Frauen und Mädchen. 85 % der Frauen, die manchmal auch Kinder mitbrachen oder im Lager gebaren, kamen aus der Sowjetunion und Polen. Aus der Sowjetunion wurden 1942 pro Woche 40.000 Menschen von der Straße weg verschleppt.

Nicht nur bei Daimler-Benz arbeiteten sogar neunjährige russische Jungen. Nach der Einberufung fast aller deutschen Männer in die Wehrmacht war die Aufrechterhaltung gewisser Produktions- und Lebensstandards nur mit der massenhaften Ausbeutung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern möglich.

Sie stellten z.B. bei der AEG fast 60 % der Belegschaft.

Nur mit ihnen wurden die landwirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung und die Rüstungsproduktion aufrechterhalten. Aber auch Religionsgemeinschaften und Stadtverwaltungen bedienten sich der billigen Arbeit der Zwangsarbeiter.

Fritz Sauckel, Generalbevollmächtigter der Nazis für den Arbeitseinsatz, erklärte 1944 offen: „Von fünf Millionen Arbeitern, die nach Deutschland gekommen sind, sind keine 200.000 freiwillig gekommen.“

Die deutschen „Herrenmenschen“ betrieben die systematische Unterwerfung der (Zitat) „rassisch minderwertigen osteuropäischen Arbeitsvölker“.

Für sie war deren Arbeit eine willkommene Beute des rassistischen Vernichtungskrieges.

Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Polen und der Sowjetunion (sogenannte Ostarbeiter) waren zudem durch diskriminierende Sondererlasse besonders wehrlos der Willkür der Gestapo ausgeliefert. Sie durften Ihre Lager nur zur Arbeit verlassen und mussten entsprechende Kennzeichen auf der Brust tragen.

Alle Zwangsarbeiterinnen wurden besonders streng überwacht durch einen rassistisch-bürokratischen Kontrollapparat aus Wehrmacht, Arbeitsamt, Werkschutz, SS und Gestapo.

Viele Frauen litten unter zusätzlichen Verbrechen wie Vergewaltigung und Zwangssterilisierung.

Am schlimmsten war das Schicksal der jüdischen Zwangsarbeiterinnen in den zahlreichen KZ-Außenlagern.

Aber auch das gehört zu dieser Bilanz.

Anders als die Vernichtungslager lagen die Zwangsarbeiterbaracken direkt vor den Haustüren und Fenstern der deutschen Bevölkerung.

Selbst meine Schule, die Grundschule Schützenstraße beherbergte eine Zwangsarbeiterunterkunft.

Auf ihren langen täglichen Wegen zu Arbeit durch Stadtteile und Dörfer waren die Fremden ebenso unübersehbar wie auf den Feldern und in den Fabriken.

Keiner konnte sich nach 1945 rausreden…ich habe das nicht gewusst.

Der Historiker Ulrich Herbert schreibt: „Die Diskriminierung der Arbeiter aus Osteuropa wurde ebenso als gegeben hingenommen wie die Kolonnen halbverhungerter Menschen, die täglich durch die Straßen der Städte in die Fabriken marschierten…eben das aber machte das Funktionieren des nationalsozialistischen Arbeitseinsatze aus: dass die Praktizierung des Rassismus zur täglichen Gewohnheit, zum Alltag wurde.“

Ich habe dieses Zitat des Historikers Ulrich Herbert bewusst gewählt, denn die Gräber an denen wir uns heute versammelt haben, sind auch eine Dokumentation dieser Aussagen. Das, was der Historiker formuliert hat, muss auch für das inhumane Geschehen in unserer Stadt als zutreffend hingenommen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

der ehemaligen Bundespräsident Weizäcker hat einmal sinngemäß gesagt: Die Erinnerung an Ereignisse in der Vergangenheit, ja, selbst deren Transport in die Gegenwart macht keinen Sinn, wenn daraus nicht Handlungen für die Gestaltung der Gegenwart und der Zukunft erwachsen.

Darauf weist auch der Aufruf zu unserer heutigen Veranstaltung hin!

Die Auschwitzüberlebende Esther Bejarano fordert: Die Erinnerung an die Vergangenheit muss zum Kampf für eine Gegenwart und Zukunft ohne Krieg und Faschismus werden. Sonst macht die Erinnerung keinen Sinn.

Wenn diese Veranstaltung am 8. Mai stattgefunden hätte, hätten wir es da gesagt. Nun wollen wir es heute sagen. Esther Bejarano hat am 8. Mai gefordert, dass dieser Tag der Befreiung vom Faschismus auch in unserem Land zu einem offiziellen nationalen Feiertag wird! Eine entsprechende Petition wurde inzwischen von vielen Menschen unterzeichnet. Wir sollten diese Initiative nach Kräften unterstützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn wir über das nachdenken, was in Gegenwart und Zukunft zum wichtigen Thema unseres Kampfes werden muss, dann sehe ich das.

Wir werden immer häufiger Zeugen einer gefährlichen Rechtsentwicklung in unserem Land. Die Vorgänge vor einigen Tagen in Berlin haben es erneut gezeigt. Nun ist die AFD mit 6% Prozent in den Wuppertaler Stadtrat gewählt worden. Das ist eine Schande für unsere Stadt! Eine der Aufgaben für die Zukunft muss sein, dass wir alle gemeinsam gegen die Rechtsentwicklung, gegen alle Formen des Neofaschismus kämpfen. Wenn die Erinnerung hier heute an den Gräbern der Zwangsarbeiter einen Sinn machen soll, dann ist es die Notwendigkeit des Kampfes gegen die Rechtsentwicklung.

Ein weiteres Thema unseres Kampfes in der Zukunft muss der Kampf gegen den Rassismus sein, der sich nicht nur in den USA zeigt. Auch in unserem Land haben wir es immer wieder mit dem Alltagsrassismus zu tun, der öffentlich von den davon betroffenen Menschen geschildert wird. Erinnern möchte ich an die Auseinandersetzung um die Umbenennung der „Mohrenstraße“, die ja von der Bezirksvertretung verschoben worden ist. Das sollte nicht auf die lange Bank geschoben, sondern rasch erledigt werden.

Vor ein paar Tagen wurde im Fernsehsender arte ein Dokumentarfilm zur Geschichte des Rassismus gezeigt. Es war einfach erschütternd zu sehen, was Menschen Menschen antun können. Wir sollten prüfen, ob man diesen Film nicht besorgen und den Bewohnern der „Mohrenstraße“ und in Jugendeinrichtungen zeigen kann.

Ein ganz wichtiges Thema für die Zukunft ist und bleibt der Kampf um Frieden, um Abrüstung statt Aufrüstung, um den Stopp des Exports von Kriegswaffen. Wir müssen weiter dafür eintreten, dass die US-amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland verschwinden. Das waren die wichtigsten Themen am 1. September, dem internationalen Antikriegstag, die auch auf einer Veranstaltung hier in unserer Stadt im Zentrum standen.

Abschließen möchte ich mit einem kleinen Mut machenden Bericht. 100 Musiker des bundesweiten Netzwerks „Lebenslaute“ haben vor ein paar Tagen in der Ortschaft Unterlüß das dortige Werk des Rheinmetall-Rüstungs-Konzerns blockiert. Sie konnten die vier Haupttore gewaltfrei und effektiv für mehrere Stunden mit musikalischen Konzerten unpassierbar machen und mit den Arbeitern diskutieren. Im Anschluss an die musikalischen Blockaden besuchten die Musiker das ehemalige Außenlager Tannenberg und legten für die in dem Lager ermordeten jüdischen Zwangsarbeiterinnen, die für den Rüstungskonzern Rheinmetall schuften mussten, Blumen nieder. Es wurde die Forderung an Rheinmetall und die Gemeinde nach einer würdigen Gedenkstätte zur Erinnerung an die Zwangsarbeiter und die an ihnen begangenen Verbrechen erhoben.

Damit schließt sich der Kreis zu unserer heutigen Veranstaltung: Für ein friedliches und solidarisches Miteinander!

Vielen Dank für ihre Geduld und Aufmerksamkeit!

Es kommt auf das Verhalten jeder/s Einzelnen an, Herr Schneidewind

11. September 2020

Presseerklärung der VVN-BdA Wuppertal vom 10. September 2020

Die VVN-BdA Wuppertal fordert Herrn Professor Schneidewind, den gemeinsamen Oberbürgermeisterkandidaten von CDU und Grünen, zu einer energischen und sichtbaren Aktion auf, um das Vertrauen in seine Politik und in die Politik der Partei Bündnis90/Die Grünen Wuppertal wiederherzustellen.

In der Publikation „Wohlstand für alle – Klimaschutz und Marktwirtschaft“ der „Ludwig-Erhard-Stiftung“, geleitet von Roland Tichy, ist Professor Schneidewind mit einem Artikel vertreten.

Es schreiben hier auch bekannte Intellektuelle mit Nähe zur AfD :

Professor Dietrich Murswiek: „Der Ratgeber der AfD“ https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-11/afd-gutachten-dietrich-murswiek-parteispenden

Roger Köppel „Ich meine es nicht böse“ – Interview mit B. Höcke

https://www.weltwoche.ch/ausgaben/2019-48/titelgeschichte/ich-meine-es-nicht-bose-die-weltwoche-ausgabe-48-2019.html

https://www.woz.ch/-a2f0

Dr. Klaus-Rüdiger Mai, hofiert von den „Christen in der AfD“

https://www.chrafd.de/index.php/184-das-mass-ist-randvoll

Professor Wolfgang Ockenfels, im Kuratorium der „Desiderius-Erasmus-Stiftung“

https://www.katholisch.de/artikel/18367-dominikaner-distanzieren-sich-von-wolfgang-ockenfels

Professor Schneidewind und wenige andere sind in dieser Veröffentlichung der „Ludwig-Erhard-Stiftung“ das liberale Feigenblatt. Seine politische Distanzierung vom Herausgeber Tichy ist nicht glaubhaft, wenn sie nicht zum sofortigen Abbruch jeder Kooperation mit Tichy führt.

Wie steht Herr Schneidewind zu den Aktivitäten und Äußerungen von Murswiek, Köppel, Mai und Ockenfels ?

Volker Weiß, Historiker mit dem Schwerpunkt Neue Rechte, schreibt: „Gegenwärtig schwinden die Berührungsängste der Mitte mit dem rechten Rand und Teile des Bürgertums bewegen sich zurück in eine Konstellation, die sie in den liberalen Nachkriegsjahrzehnten verlassen haben.“ Er warnt uns: „Die Synthese zwischen Bildungselite und liberaler Demokratie, von der die bundesrepublikanische Geisteslandschaft seit den 60er Jahren (…) bestimmt wurde, ist nicht naturgegeben. Sie kann auch enden.“ (Volker Weiß, Nachwort; in Theodor W. Adorno: Aspekte des neuen Rechtsradikalismus, Frankfurt/Main, 5. Auflage 2019)

Die Wuppertaler*innen stehen in der Tradition des Widerstandes gegen den Faschismus; mutige Frauen und Männer aus dieser Stadt haben alles riskiert. Linke, liberale und konservative Menschen, christliche Menschen, Menschen aus allen Schichten haben im Großen und im Kleinen die Geschichte des anderen Deutschland geschrieben.

Dies ist unser antifaschistisches Erbe, und dies werden wir verteidigen.

Im Kampf gegen Rechts kommt es auf das Verhalten jeder/s Einzelnen an. Darüber hinaus trägt Herr Professor Schneidewind als Oberbürgermeisterkandidat unserer Stadt eine herausragende Verantwortung.

Wir möchten unsere Positionen vom 30. Juni nochmals bekräftigen.

Herr Schneidewind, beziehen Sie unmissverständlich Position gegen die rechten Ansichten Herrn Tichys!

Ziehen Sie ihren Beitrag zurück; lassen Sie die weitere Veröffentlichung durch die „Ludwig-Erhardt-Stiftung“ sperren.

Machen Sie auf diesem Weg deutlich, dass Sie die Kontakte zu den Rechten abbrechen!

https://www.wuppertaler-rundschau.de/wahl/kritik-an-wuppertaler-ob-kandidat-schneidewind-wegen-veroeffentlichung_aid-52141011

Tichy knickt ein – Versuch die VVN-BdA mundtot zu machen gescheitert

9. September 2020

Pressemitteilung vom 9. September 2020

In einer auf ihrer Homepage veröffentlichten Pressemeldung vom 30.6.2020 hatte die VVN-BdA Wuppertal den Oberbürgermeisterkandidaten von CDU und Bündnis90/Die Grünen Uwe Schneidewind aufgefordert „unmissverständlich Position gegen die rechten Ansichten“ des Herrn Tichy zu beziehen. Hintergrund war ein Aufsatz Schneidewinds in einer Publikation in der von Roland Tichy geleiteten „Ludwig-Erhardt-Stiftung“ gewesen.

In diesem Zusammenhang hatte die VVN-BdA auf einen Konflikt zwischen dem CDU-Politiker Friedrich Merz und Tichy Bezug genommen. Merz hatte es 2018 abgelehnt einen von der Stiftung ausgelobten Preis entgegen zu nehmen, offenbar weil ihm die Positionen von Tichy, insbesondere verbreitet durch das Online-Projekt „Tichys Einblick“, zu rechts sind.

Berichtet wurde in der Pressemeldung über eine Aussage von Merz, die u.a. vom Handelsblatt und der Süddeutschen Zeitung kolportiert wurde, nach der Merz „nicht mit dem Vorsitzenden der Stiftung auf einer Bühne auftreten wolle“.

(hier zitiert nach Handelsblatt: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/populismus-vorwurf-eklat-in-der-ludwig-erhard-stiftung-friedrich-merz-lehnt-preis-ab/22798842.html?ticket=ST-3629754-5ImTZQv3ejetYsdmF5nD-ap2)

Roland Tichys Einblick GmbH ging daraufhin juristisch gegen die Bundesvereinigung der VVN-BdA vor, die sie für den Text der Wuppertaler Kreisvereinigung presserechtlich verantwortlich machte. Sie erwirkte beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung nach der unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € oder einer Ordnungshaft von „insgesamt höchstens 2 Jahren“ die Weiterverbreitung dieses Zitates zu unterbleiben habe.

Dieses aggressive, die Pressefreiheit in Frage stellende Verhalten hat nun zu einem krachenden Eigentor geführt. Tichy ließ, nachdem die Bundesvereinigung juristische Gegenpositionen einzunehmen begann, die Einstweilige Verfügung zurücknehmen, vorgeblich um „etwaige Debatten über die lediglich mittelbare Störerschaft ihrer verfassungsfeindlichen Mandantin entbehrlich zu machen.“

Einer gerichtlichen Auseinandersetzung über den tatsächlichen Inhalt ist Tichy damit aus dem Weg gegangen. Solche juristischen Vorgänge sind teuer, Tichy darf die Kosten des Verfahrens nun tragen und muss außerdem damit leben, dass die Welt wissen darf, dass nicht jedermann mit ihm auf der Bühne stehen mag.

Heinrich Heine: Das ist mein Patriotismus

5. September 2020

Deutschland – Ein Wintermärchen; aus dem Vorwort, 17. September 1844

Wir sind im Herzen gewappnet gegen das Mißfallen dieser heldenmütigen Lakaien in schwarz-rot-goldner Livree. Ich höre schon ihre Bierstimmen: du lästerst sogar unserer Farben, Verächter des Vaterlandes, Freund der Franzosen, denen du den freien Rhein abtreten willst! Beruhigt euch. Ich werde eure Farben achten und ehren, wenn sie es verdienen, wenn sie nicht mehr als eine müßige oder knechtische Spielerei sind. Pflanzt die schwarz-rot-goldne Fahne auf die Höhe des deutschen Gedankens, macht sie zur Standarte des freien Menschtums, und ich will mein bestes Herzblut für sie hingeben. Beruhigt euch, ich liebe das Vaterland ebensosehr wie ihr. Wegen diese Liebe habe ich dreizehn Lebensjahre im Exile verlebt, und wegen dieser Liebe kehre ich wieder zurück ins Exil, vielleicht für immer, jedenfalls ohne zu flennen oder eine schiefmäulige Duldergrimasse zu schneiden.

Ich bin der Freund der Franzosen, wie ich der Freund aller Menschen bin, wenn sie vernünftig und gut sind (…)

Das ist mein Patriotismus.

(…) Den entschiedensten Widerspruch werde ich zu achten wissen, wenn er aus einer Überzeugung hervorgeht. Selbst der rohesten Feindseligkeit will ich alsdann geduldig verzeihen; ich will sogar der Dummheit Rede stehen, wenn sie nur ehrlich gemeint ist. Meine ganze schweigende Verachtung widme ich hingegen dem gesinnungslosen Wichte, der aus leidiger Scheelsucht oder unsauberer Privatgiftigkeit meinen guten Leumund in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen sucht, und dabei die Maske des Patriotismus (…) benutzt.“

Heinrich Heine: Deutschland – Ein Wintermärchen, Heines Werke in fünf Bänden, zweiter Band, Berlin und Weimar, 1978, Seite 90 f.

Keine Freunde der Schwarzen

1. September 2020

Von Mumia Abu-Jamal

In einer Situation, in der die beiden großen politischen Parteien der Vereinigten Staaten von Amerika um die nächste US-Präsidentschaft streiten, steht mehr auf dem Spiel als nur die Demokratie. Das schwarze Amerika steht vor Entscheidungen, die weniger klar sind als derzeit dargestellt. Denn der amtierende US-Präsident Donald Trump erscheint in diesem politischen Theater als »Buhmann« und ultimatives Schreckgespenst für alle Schwarzen – als Rassist. Umgekehrt wird seinem Erzfeind Joseph Biden die Rolle des angeblichen »Freundes der Schwarzen« zugeschrieben. Und das vor allem wegen seiner früheren Rolle als Vize von Barack Obama, dem ersten schwarzen Präsidenten der USA. William Shakespeare hat in seiner Komödie »Wie es euch gefällt« den passenden Satz dazu geprägt: »Die ganze Welt ist eine Bühne, und alle Frau’n und Männer sind bloße Spieler.«

Als Biden in den 1990er Jahren als Senator des US-Bundesstaats Delaware die schmierige Karrierestange der Politik erklomm, opferte er seinem Ehrgeiz die Zukunft Zehntausender Minderjähriger. Als Vorsitzender des US-Justizausschusses befürwortete er Gesetzesverschärfungen der Regierung von William Clinton, durch die diese Kids lebenslang in Gefängnisse für Erwachsene gesperrt wurden. Die meisten von ihnen waren schwarz und braun. Der Mann, der jetzt mit seiner Empathie für Schwarze als Kandidat für das Präsidentenamt wirbt, war damals ein kaltschnäuziger Politiker, der Kinder und Jugendliche dazu verdammte, auf ewig in einer Gefängniszelle zu verschwinden. Deshalb ist es ratsam, die beiden Anwärter für das Präsidentenamt mit äußerster Vorsicht zu betrachten. Beide müssen sich die Frage gefallen lassen, ob für sie schwarze Leben wirklich zählen.

Trump wird schon lange von den Medien heftig attackiert, weil sein Verhalten völlig inakzeptabel ist, aber über Bidens Vergangenheit als Gesetzgeber wissen fast nur Journalisten und Wissenschaftler Bescheid. Keiner der beiden Politiker hat also aus seiner Geschichte etwas Positives vorzuweisen, sofern es ihr Verhältnis zu Schwarzen betrifft. Ganz im Gegenteil! Deshalb ist es jetzt die Aufgabe aller in den Bewegungen gegen Rassismus und für Gerechtigkeit und soziale Gleichheit, vor der Wahl für Klarheit zu sorgen und eine bessere Politik für Schwarze zu fordern. Schließlich haben uns die Obama-Jahre gelehrt, dass Hoffnungen und Emotionen allein nicht genug sind.

Übersetzung: Jürgen Heiser

https://www.jungewelt.de/artikel/385345.keine-freunde-der-schwarzen.html

Aus dem Archiv: AfD Wuppertal – Nähe zu Rechtsextremen

31. August 2020

Pressemitteilung der VVN-BdA Wuppertal – 1. Mai 2017

Rechtsextreme AktivistInnen greifen unsere Mina Knallenfalls an!

August 2016: Politgruppe missbraucht die Skulptur der antifaschistischen Künstlerin Ulle Hees für ihre rassistische Hetze! AfD Wuppertal lobt die Aktion und nennt Instrumentalisierung „frech“ und „ironisch“.

Am 27. August 2016 haben Mitglieder der rechtsextremen Gruppe „Ein Prozent“ die bekannte Skulptur Mina Knallenfalls in Wuppertal-Elberfeld zur rassistischen Diffamierung von Geflüchteten und des Islams benutzt.

Die banale Verhüllungsaktion sollte Vorurteile gegenüber diesen Bevölkerungsgruppen schüren.

http://www.afd-wuppertal.de/neulich-in-wuppertal/#more-955

Prominente neurechte Vordenker und Aktivisten wie Jürgen Elsässer und Götz Kubitschek leiten die einflussreiche Gruppe „Ein Prozent“ an; mit Begriffen wie „Flüchtlingsinvasion“ und „Asylkatastrophe“ gehören sie zu den Stichwortgebern des Flüchtlings- und islamfeindlichen Diskurses.

Die Internetseite einprozent.de dient als organisatorische Plattform zur Gewinnung und der Vernetzung von rechten AktivistInnen; so werden etwa Berichte von und über Aktionen der sogenannten „Identitären Bewegung“ dort verbreitet. Auch von den wöchentlichen PEGIDA-Demonstrationen wird berichtet. Philip Stein, Leiter der Gruppe, hat am 17. März 2017 auf der PEGIDA-Demo in Dresden gesprochen.

Die Nähe der AfD Wuppertal zur Gruppe „Ein Prozent“ ist unübersehbar. Durch ihr überschwängliches Lob für diese politische Instrumentalisierung der Minna Knallenfalls zeigt die AfD Wuppertal ihre Sympathie für maßlose rassistische Hetze. Es gibt offensichtliche Verbindungen der AfD Wuppertal zu dieser rechten Organisation.

Hände weg von Minna Knallenfalls!

Ulle Hees war Wuppertals bekannteste Bildhauerin. Sie hat mit dem Werk „Ja-Sager / Nein-Sager“ zur Bekennenden Kirche und mit der Arbeit „Das Urteil“ zu den Wuppertaler Gewerkschaftsprozessen herausragende antifaschistische Kunstwerke zur Wuppertaler und zur deutschen Geschichte geschaffen.

Bis zu ihrem Tod 2011 war sie Mitglied der VVN-BdA Wuppertal.

Minna Knallenfalls – die Frau aus dem Volk – steht für Solidarität, nicht für Hass!

Die AfD Wuppertal ist eine rassistische Partei!

Wer diese Partei hofiert oder wählt weiß das!

Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen!

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