Mumia Abu-Jamal für Herzoperation verlegt

15. April 2021

Inhaftierter US-Bürgerrechtler wieder in Krankenhaus. Solidaritätsproteste angekündigt

Von Jürgen Heiser, in junge Welt vom 16. April 2021

Der Gesundheitszustand des US-Bürgerrechtlers Mumia Abu-Jamal ist besorgniserregend. Er wurde am Mittwoch erneut in eine Klinik außerhalb des Staatsgefängnisses SCI Mahanoy in Pennsylvania verlegt. Das erfuhr junge Welt Donnerstag morgen durch eine Eilmeldung des kalifornischen Prison Radio. Der »Veteran der Black Panther Party und politische Gefangene hatte seit dem Wochenende Herzbeschwerden«, berichtete Noelle Hanrahan. Für Donnerstag sei »eine akute Herzoperation vorgesehen« gewesen. Zum Redaktionsschluss lagen jW noch keine Informationen vor, ob diese Operation durchgeführt wurde und wie es Abu-Jamal geht.

Sein mit Vollmacht ausgestatteter Vertrauensarzt Ricardo Alvarez veröffentlichte unterdessen ein Schreiben an das »medizinische und Verwaltungspersonal in den Vertragskrankenhäusern des SCI Mahanoy«, in dem er »eine gefährliche Lücke in der Kommunikation« kritisierte. Mehrere Stunden lang habe er sich »intensiv bemüht, einen Befund über Mumias Gesundheitszustand zu erhalten«. Ihm sei lediglich Abu-Jamals »Verlegung zu einer Herzoperation« genannt worden, nicht jedoch »die vollständigen Einzelheiten seiner medizinischen Versorgung«.

Alvarez verlangte sofortige Aufklärung und dass die Verantwortlichen Abu-Jamal unverzüglich den Kontakt zu seiner Frau, seiner Familie und seinen juristischen und persönlichen Beiständen ermöglichen. Vor allem forderte der Arzt, »jede Fesselung des Herzkranken zu unterlassen«. Abu-Jamals schwere Vorerkrankungen »nach jahrzehntelanger Haft und gerichtlich attestierter medizinischer Nichtversorgung« erforderten eine »ethische und mitfühlende Pflege«. Bei seinem letzten Klinikaufenthalt Anfang März wegen Covid-19 in Verbindung mit einer Herzinsuffizienz hatte Abu-Jamal eine Tortur erlitten, als er vier Tage mit Händen und Füßen ans Bett gefesselt war.

Wie das Jamal Journal und »Mobilization for Mumia« berichten, werden international derzeit Proteste vorbereitet. Am Sonnabend findet in Frankfurt am Main um 18 Uhr eine Kundgebung vor dem US-Generalkonsulat statt.

https://www.jungewelt.de/artikel/400599.free-mumia-abu-jamal-mumia-abu-jamal-für-herzoperation-verlegt.html

15. April 2021

Herz-OP: Mumia Abu-Jamal erneut  Im Krankenhaus - Take Action!
EILMELDUNG! +++ Mumia Abu-Jamal erneut  Im Krankenhaus +++
Herz-Operation am Donnerstag, 15. April +++ Aufruf

In den Nachtstunden des 14. Aprils 2021 erfuhren wir, dass der kämpfende
Gefangene Mumia Abu-Jamal aus Pennsylvania, USA erneut ins Krankenhaus
verlegt wurde. Er wird heute, am 15. April eine Herzoperation haben.

In einem Schreiben an die medizinischen und administrativen
Mitarbeiter*innen des US-Gefängnisses SCI Mahanoy in Pennsylvania
fordert Mumias Vertrauensarzt  Dr. Alvarez, dass Mumia vor und nach
seiner Operation seine Lebensgefährtin anrufen darf und ihm Zugang zu
seinen Beratern wie Mark Taylor, seiner Familie und seinen Anwälten zu
gewähren. In den vergangenen vier Tagen war es allen genannten nicht
möglich, mit Mumia in Kontakt zu treten.

Des weiteren fordert Dr. Alvarez, dass Mumia im Krankenhaus nicht an
Händen und Füßen ans Bett gefesselt wird und geht in seinem Schreiben
außerdem darauf ein,  dass Mumia durch schwere Gewalt (z.B. bei seiner
Verhaftung) und durch medizinische Vernachlässigung (gerichtlich
festgestellt) geschädigt wurde und fordert nochmals, dass Mumia der
Kontakt ermöglicht wird und dass Mumia nicht ans Bett gefesselt wird.

Mumia Abu-Jamal war erst vor wenigen Wochen zur Behandlung gegen
Covid-19 aus dem Gefängnis in ein ziviles Krankenhaus gebracht worden.
Dabei wurde auch eine zuvor unbekannte Herzinsuffizienz bei ihm
festgestellt. Die vergangenen Tage hatte der Gefangene starke Schmerzen
im Brustbereich.

Die einzig sinnvolle medizinische Behandlung nach der Herz-OP für Mumia
kann nur die sofortige Freilassung sein!
https://freiheit-fuer-mumia.de/termine.htm

Ende der Todesstrafe in Virginia

13. April 2021

Von Mumia Abu-Jamal, in junge Welt vom 12. April 2021

Virginia war lange Zeit das Zentrum des US-amerikanischen Todesstrafensystems. In dem Bundesstaat, aus dem die meisten Präsidenten hervorgegangen sind, wurden staatliche Hinrichtungen über 400 Jahre lang praktiziert. Am 24. März 2021 unterzeichnete Gouverneur Ralph S. Northam von der Demokratischen Partei ein Gesetz zu ihrer Abschaffung in seinem Bundesstaat. Es tritt offiziell am 1. Juli 2021 in Kraft. Virginia ist damit der 23. der 50 US-Bundesstaaten, jedoch der erste der elf früheren Konföderierten Staaten von Amerika, der diese Praxis beendet. Die Konföderation der Sklavenhalterstaaten im Süden der USA entstand 1861 durch Abspaltung von der Union der Vereinigten Staaten. Nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs im Jahr 1865 wurden die Staaten der Konföderation wieder eingegliedert.

Die erste Hinrichtung in den später gegründeten Vereinigten Staaten von Amerika wurde 1608 in Jamestown vollstreckt. Seitdem hat Virginia mehr als 1.300 Menschen hingerichtet, mehr als alle anderen US-Bundesstaaten. Vor 1909 war das Erhängen die vorherrschende Methode. Im Jahr 1737 wurde eine Sklavin verbrannt. Von 1910 bis 1994 wurde ausschließlich der elektrische Stuhl verwendet. Später war es die Giftspritze.

Seit der Wiedereinführung der Todesstrafe in den USA im Jahr 1976 – sie war 1967 durch ein Moratorium zeitweise ausgesetzt worden – fanden in Virginia 113 Hinrichtungen statt, im nationalen Vergleich ist das die zweithöchste Zahl nach Texas. Die letzte Hinrichtung in Virginia wurde im Juli 2017 mit der Spritze vollstreckt.

Laut einem Bericht der New York Times vom 25. März wurden im 20. Jahrhundert in Virginia 377 Gefangene hingerichtet. Von ihnen waren 79 Prozent Schwarze. Diese ins Auge springende Tatsache könnte einer der Gründe für das formale Ende der Todesstrafe in Virginia sein. Gegenüber Reportern der New York Times sagte der Gouverneur, die fundamentale Frage im Zusammenhang mit der Beendigung der Todesstrafe laute: Ist sie fair?

Ihre Abschaffung selbst scheint diese Frage zu beantworten – aber es ist auch möglich, dass Bundesstaaten wie Virginia angesichts der wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie vor sehr ernsthaften fiskalischen Problemen stehen. Denn mit der Schließung von Geschäften und Betrieben gingen die Steuereinnahmen erheblich zurück. Virginia zeigt uns, dass sogar die Todesstrafe sterben kann.

Übersetzung: Jürgen Heiser

Wie das Jamal Journal mitteilte, ist die wegen seiner Covid-19-Erkrankung verhängte 14tägige Quarantäne des politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal beendet. Er sei dabei, die Infektion langsam zu überwinden. Sein allgemeiner Zustand ist aufgrund der in fast 40jähriger Haft und medizinischer Nichtversorgung erlittenen und zum Teil irreparablen Schädigungen seiner Gesundheit jedoch weiter ernst. Aus diesem Grund verabschiedete der Vorstand des nichtkommerziellen US-Hörfunknetzwerks Pacifica am 1. April 2021 im kalifornischen Berkeley eine Resolution, in der hervorgehoben wird, es gehöre »seit der Gründung des Netzwerks zu den Prinzipien von Pacifica, für Gerechtigkeit und Menschenrechte einzutreten«. Deshalb verpflichteten sich die fünf angeschlossenen Radiosender, kontinuierlich »über den Fall von Mumia Abu-Jamal und die Notwendigkeit seiner sofortigen Freilassung« zu berichten und »die Hörerinnen und Hörer mit Informationen zu versorgen, wie sie sein Leben retten können«.

Am 24. April 2021, dem 67. Geburtstag von Abu-Jamal, wird die Solidaritätsbewegung für Mumia in Philadelphia und weiteren US-Städten sowie in Ländern auf verschiedenen Kontinenten auf die Straße gehen und seine sofortige Freilassung aus dem Gefängnis fordern, um ihm den Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung zu ermöglichen. (jh)

https://www.jungewelt.de/artikel/400316.ende-der-todesstrafe-in-virginia.html

Falsche Tradition „Feuerzangenbowle“ beenden

10. April 2021

Gemeinsamer Antrag KV Wuppertal und KV Münster zum Bundeskongress der VVN-BdA

Der NS-Propagandafilm „Die Feuerzangenbowle“ von 1944 wird seit vielen Jahren regelmäßig im Ersten respektive den dritten Programmen der ARD ausgestrahlt, vorzugsweise in der Weihnachtszeit und um Silvester.

Die ARD begründet dies unter anderem damit, dass es „ein deutscher Filmklassiker“ sei, „der sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut“.

Wir fordern, dass diese Tradition, den Film unkritisch zu zeigen, von der ARD endlich beendet wird.

Das heisst:

1. Wir informieren aktiv vor der öffentlichen Aufführung des Films in Kinos, Universitäten etc..

2. Wir konfrontieren die ARD mit unserer Kritik und stellen so Öffentlichkeit her.

Begründung:

1. Die Rechte für jede öffentliche Aufführung liegen bei Cornelia Meyer zur Heide aus Münster. Sie entscheidet, ob, in welchem Kontext und wo der Film außerhalb der Öffentlich-Rechtlichen gezeigt werden darf, und erhält dafür eine Lizenzgebühr.

Meyer zur Heyde war im Vorstand der AfD Münster und ist im rechten Hayek Club Münsterland aktiv.

Sie erlaubt ausschliesslich Aufführungen zu unterhaltenden Zwecken. In kritische Diskussionen eingebettete Aufführungen untersagt sie immer.

Deshalb treten wir der öffentlichen Aufführung des Films in Kinos, Universitäten etc. entgegen.

2. Der Film von 1944 transportiert unterschwellig Elemente der NS-Ideologie wie „Rasse“ oder Gehorsam. Damit steht er im Gegensatz zu demokratischen Werten.

Noch wichtiger war allerdings die Funktion des Films in der Goebbelschen Kulturpolitik: „Die Feuerzangenbowle“ war ein attraktives Mittel, um die Menschen im Kino von Krieg und Diktatur abzulenken, und dadurch auch unverzichtbarer Teil der „Durchhalte“-Propaganda des Naziregimes.

Goebbels hat Heinz Rühmann verehrt und ihn vielfältig eingebunden, Rühmann war einer der bestbezahlten und bekannmtesten Schauspieler und hat sich bei Hitler und Göring persönlich für die Aufführung des Films eingesetzt.

Der Autor des von Kindern im Film vorgetragenen Kanons „Der Frühling liebt das Flötenspiel doch auch auf der Posaune“, Erich Knauf,wurde am 2. Mai 1944 wegen „defätistischer Äußerungen“ im Zuchthaus Brandenburg enthauptet.

1994 hat Georg Seeßlen (…) gesagt: „‚Die Feuerzangenbowle‘ ist weder ein ‚guter‘ noch ein ‚böser‘ Film. Dieser Film ist, leider, auch kein unschuldiger.“

Wir lehnen ab, wofür er steht: die Verharmlosung und Normalisierung des deutschen Faschismus nach dem 8. Mai 1945.

Seit 1969 wird „Die Feuerzangenbowle“ im öffentlich-rechtlichen Fernsehen regelmässig gesendet.

Die ARD hat diese Tradition geschaffen – die ARD soll diese falsche Tradition endlich beenden!

Antrag an den 7. Bundeskongress, 24. und 25. April 2021 in Frankfurt am Main

Anhang:

https://www.spiegel.de/kultur/kino/feuerzangenbowle-warum-jede-vorfuehrung-des-klassikers-einer-afd-politikerin-geld-bringt-a-00000000-0003-0001-0000-000001957530

https://www.spiegel.de/geschichte/kultfilm-a-948139.html

https://www.tagesspiegel.de/berlin/die-feuerzangenbowle-wird-75-gelacht-als-sei-es-die-letzte-gelegenheit/23913880.html

https://www.akduell.de/home/studium-freizeit/von-feuerzangenbowle-benebelt

Sidney Keyes (1922-1943): Neutralität

3. April 2021

Hier nicht die Fahnen, nicht der rhythmische Schritt

heimkehrender Legionen, auch nicht am Hausaltar

die kleinen Tränenopfer, die jahrelang sorglich bewahrte

Feldpost, die in Messing gravierten Namen,

hier nicht die gesenkten Stimmen,

auch nicht die Trommel.

——–

Nur zur Abendbrotzeit der schräge Regen

in unsern Obstgärten, der seine zwar chiffrierte

aber friedliche Botschaft auf unsere Gehsteige schreibt.

Nur die geheimnisvolle Turmschwalbe mißt

unseren Himmel in geregelten Kreisen.

Hier nur das Wachsen.

——-

Und in der Nacht die heimlichen Stimmen

des Sommers, und die Reihenfolge der Stunden

ohne Spannung und ohne Überraschung.

Nur der Mond hat ein Auge auf uns, und selbst die jagende Eule

sieht uns vielleicht ohne Groll zu,

ohne Neid.

——-

Wir sind nicht Feiglinge. Wir sind Bilder

von einfachen Menschen, wie ihr einst wart.

Begegnet uns nicht mit Tadel noch Mitleid; wir sind die Menschen,

die lachen in Träumen, bevor noch der tobende Eber

kommt, der Geliebte tot ist. Wir

sind eure Hoffnung.

In: Gedichte gegen den Krieg, herausgegeben von Kurt Fassmann, 1961, München, Seite 299;

Übersetzung: Erich Fried

Kein Grund zur Entwarnung

29. März 2021

Von Jürgen Heiser, in junge Welt vom 29. März 2021

USA: An Covid-19 erkrankter politischer Gefangener Abu-Jamal wieder in Zellentrakt

Kein Grund zur Entwarnung
Die aktuelle Nachrichtenlage im Fall des politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal erinnert an eine Situation vor knapp sechs Jahren, als der damals lebensbedrohlich an Hepatitis C und Diabetes erkrankte Bürgerrechtler in den langen Korridoren eines US-Staatsgefängnisses »verschwunden« schien. Das US-Magazin Ebony sah sich im April 2015 zu der Eilmeldung veranlasst, seit Tagen gebe es »keinen Kontakt zu Mumia, weder von seiner Familie noch von Ärzten, Anwälten oder Unterstützern«. Es bestehe »große Sorge« um ihn.

Seit dem vergangenen Montag war der Verbleib Abu-Jamals erneut nicht völlig klar. Nachfragen von jW in seinem Umfeld blieben unbeantwortet oder ergaben kein klares Bild. Seine Anwälte vermuteten ihn irgendwo zwischen der Krankenstation des Gefängnisses SCI Mahanoy in Frackville (Pennsylvania) und dem regulären Zellentrakt, in dem er während der Coronapandemie wie seine Mitgefangenen seit einem Jahr zur Einzelhaft verdonnert war. Seit er Anfang März wegen einer Herzinsuffizienz kurzzeitig in eine Klinik verlegt und positiv auf das Coronavirus getestet worden war, blieben ihm zunächst alle Außenkontakte verwehrt, wie jW berichtete.

Nun erhielt junge Welt die gesicherte Information, dass Abu-Jamal kürzlich von der Krankenstation wieder in seinen alten Zellentrakt zurückverlegt worden ist. Wie Noelle Hanrahan von Prison Radio mitteilte, unterliege er dort »aktuell einer 14tägigen Quarantäne«. Er dürfe seine Zelle nicht verlassen, also auch nicht am Hofgang teilnehmen. Seinen Vertrauensarzt Ricardo Alvarez, der seine sofortige Freilassung fordert, habe er immer noch nicht gesehen, werde aber von den Anstaltsärzten medizinisch behandelt. Seine Mehrfacherkrankung erfordere jedoch »eine ständige sorgfältige Überwachung«, so die Radiomacherin.

Zuvor hatte das Jamal Journal zwar berichtet, dass »Mumia sich wieder im Normalvollzug« befinde und »seine Covid-19-Atemsymptome sich gebessert« hätten, jedoch keine Angaben dazu gemacht, warum die Rückverlegung in seine Zelle angeordnet wurde und von wem die Diagnose bezüglich Covid-19 stammt. Verständlich deshalb, dass Hanrahan betonte, es bestehe kein Grund für eine Entwarnung. Abu-Jamal befinde sich in Folge jahrzehntelanger Haft »nach wie vor in einem sehr besorgniserregenden Zustand«. Die Prognose für eine Genesung des bald 67jährigen sei »nicht gut«. Unter den Bedingungen der Haft und ohne die fachärztliche Behandlung, die er in Freiheit erhalten könnte, liege sie bei nur »50 Prozent oder weniger in den nächsten fünf Jahren«, warnte Hanrahan.

Die Produzentin von Prison Radio, die derzeit nicht den sonst üblichen telefonischen Kontakt zu ihrem langjährigen Knastkorrespondenten hat, dankte allen, »die Mumia durch ihre Solidarität unterstützen«. Es sei »wirklich sehr wichtig«, auch ihm zu schreiben und »ihm eure Gedanken« mitzuteilen. Der Bürgerrechtler selbst hatte sich zuvor mit einem auf der Website des Radios geposteten »Dankesschreiben« an seine »lieben Schwestern, Brüder, Genossen, Freunde und Familie« gewandt. Er dankte für die »Unterstützung von Philadelphia bis Frankreich, von Orten im ganzen Land und buchstäblich rund um den Globus«. Die hätte ihn aus seiner »Gefängniszelle in ein Klinikzimmer gebracht«, wo er »gegen eine Krankheit behandelt wurde, von der ich nicht wusste, dass ich sie habe«.

Typisch für den seit frühester Jugend engagierten Aktivisten und Journalisten, stellte er nicht seine seit fast 40 Jahre unschuldig erlittene Haft ins Zentrum, sondern die Lage der 2,3 Millionen im US-Gefängnissystem eingesperrten Menschen, von denen während der Pandemie inzwischen »über 300.000 Gefangene positiv auf Corona getestet worden« seien. In diesen »Zeiten der Masseninhaftierungen« erhöhe sich hinter Gittern »Tag für Tag die Belastung besonders für ältere Menschen, die vergeblich darum kämpfen zu atmen, zu gehen, zu überleben«. Abu-Jamal dankte allen, »die solidarisch ihre Hände reichen, aus tiefstem Herzen« und mahnte dringend: »Lasst uns gemeinsam die Abschaffung der Knäste in Angriff nehmen!«

http://www.freedom-now.de/news/artikel1896.html

Finanzamt rudert zurück – VVN-BdA ab 2019 wieder gemeinnützig!

25. März 2021

Pressemitteilung: Finanzamt rudert zurück – VVN-BdA ab 2019 wieder gemeinnützig!

Der erste Schritt ist getan: Über unsere Anwälte erreichte uns heute die Mitteilung des Finanzamtes für Körperschaften I in Berlin für das Jahr 2019: die VVN-BdA ist wieder gemeinnützig.

Das ist ein gutes und wichtiges Signal für den Antifaschismus in diesem Land!

Zur Begründung teilt das Finanzamt mit, die Gemeinnützigkeit könne „nach eingehender Prüfung“ gewährt werden, da die Bundesvereinigung der VVN-BdA im Jahr 2019 im Verfassungsschutzbericht des bayerischen Geheimdienstes nicht mehr als „extremistische Organisation“ eingestuft sei. Aufgrund der geänderten Einstufung stehe der Paragraph 51 der Abgabenordnung der Anerkennung der Gemeinnützigkeit „nicht im Wege“.

Die VVN-BdA wertet das als Signal, dass die Vernunft siegen wird und wir sind jetzt zuversichtlich, bald auch eine positive Nachricht für die Jahre 2016-18 zu erhalten. 

An dieser Stelle bedanken wir uns schon einmal bei allen, die uns bei dieser schwierigen und langen Auseinandersetzung unterstützt haben! Durch die große Solidarität, die verstärkte Öffentlichkeit und den lauten Protest von Vielen wurde deutlich, welche Bedeutung die VVN-BdA in diesem Land bis heute innehat, und dass Antifaschismus eine  breite gesellschaftliche Basis hat.

Gemeinsam sind wir stark!

Für Presseanfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Kontakt:
Hannah Geiger (Pressereferentin VVN-BdA)
presse@vvn-bda.de
Mobil |Mobile +49 (0)178 2785958
Telefon (+49) 030-55579083-4
Telefax (+49) 030-55579083-9

Wiedergelesen

24. März 2021

Klaus Mann: „Mephisto“. Roman einer Karriere – Teil 2

Ein kaltes und böses Buch“

Von Dr. Dirk Krüger

Sehen wir uns den Roman näher an, dann werden drei große Zeit- und Handlungsabschnitte und die antifaschistische Stoßrichtung des Romans sichtbar….

Vorspiel

Eröffnet wird der Roman mit einem „Vorspiel“. Darin stellt der Autor zu Beginn den Hinweisen auf die Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse von Ende 1935 und den niedrigen Löhnen der Arbeiter bei steigenden Preisen, den „großen Ball zum dreiundvierzigsten Geburtstag des Ministerpräsidenten in allen Räumen des Opernhauses“ gegenüber. Es sind „schön geputzte“ Menschen versammelt, die „in diesem Lande etwas gelten wollen.“ Niemand in dieser Ansammlung der herrschenden Klasse fehlt – „außer dem Diktator“ und „plebejische Parteiprominente“, die natürlich nicht eingeladen waren.

Man staunt und tuschelt darüber „was der Dicke sich leisten“ kann. Die Frau des „Gewaltigen“, Lotte, eine Provinzschauspielerin, eine „herzensgute schlichte, urdeutsche“ Frau, die sich gelegentlich bei ihrem Gatten für Juden aus der guten Gesellschaft eingesetzt habe, die aber trotzdem im Konzentrationslager landeten, trage ein Kleid, das „dreitausend Mark“ gekostet habe. Und ihr „Märchenprinz“ habe am Hochzeitstag „zwei Proleten“ hinrichten lassen.

Man tanzt, schwatzt, flirtet, lacht. Auf einer Tombola ist ein „Hakenkreuz aus Brillanten“ zu gewinnen. Es gibt auch nachgebildete Tanks und Maschinengewehre aus Lübecker Marzipan.

Mit gedämpften Stimmen spricht man über die politischen Hintergründe – die Abwesenheit des „Diktators“ und weiterer Parteiprominenzen.

Da erscheint überraschend, „seinen Klumpfuß graziös hinter sich herziehend“, der „Propagandaminister“. „Einige Sekunden lang ist die ganze Gesellschaft von zweitausend Sklaven, Mitläufern, Betrügern, Betrogenen und Narren wie gelähmt von Entsetzen.“

Unter brausendem Beifall treten nun der „Fliegergeneral und seine Gattin, Lotte Lindenthal“, durch die große Mitteltür ein. Kein Kaiser hatte jemals schöneren Einzug gehalten. Keiner der feinen Gäste kann sich den überschäumenden Begeisterungsgesten für den „Speck- und Fleisch-Riesen“ entziehen. Die Beiden machen vor Höfgen und dem „agilen aber krüppelhaften Reklamezwerg“ halt, der Fliegergeneral klopft Höfgen krachend auf die Schulter und ruft: „Na, wie geht’s, Mephisto?“

Nach einem Lob für seinen „Hamlet“ von Lotte und vom „Reklamezwerg“, ergreift Höfgen das Wort zu einer langen, pathetischen und platten Glückwunschrede für das Geburtstagskind. Alle bewundern ihn. „Er gehört zur Macht.“

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Dem Vorspiel folgt in mehreren Kapiteln die Schilderung des Aufstiegs des Schauspielers Hendrik Höfgen zum Intendanten des preußischen Staatstheaters.

Heinz Höfgen kommt aus einfachen familiären Verhältnissen in Köln. Seine schauspielerische Laufbahn beginnt während des Krieges, 1917, als er „auf dem Klosett“, auf einem Stück Zeitungspapier eine Annonce findet, in der für ein Fronttheater im belgischen besetzten Gebiet junge Schauspieler gesucht werden.

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Kapitel I.

H.K.

Sein erstes Engagement, in den Jahren vor dem 30. Januar 1933, absolviert er am Künstlertheater in Hamburg.

Das wahre Leben spielt sich in der „Theaterkantine, kurz H.K. genannt“ ab. Es ist das alltägliche Gerede um den Theateralltag, um Banalitäten, Gerüchten, Meinungen, Gefühlen, Neid und positive oder abwertende Beurteilungen, das sich im H.K. abspielt und von Klaus Mann gewürzt wird mit teilweise sarkastisch-satirischen Charakterisierungen der beteiligten „alten Theaterhasen“. Aber die „kommunistischen Bühnenarbeiter“ verkehren nicht im H.K., sondern in einer „Kneipe gegenüber“.

Der erste politische Konflikt entsteht als der junge Schauspieler Hans Miklas laut in das Geplappert ruft: „Die Diva Dora Martin aus Berlin ist eine Jüdin!“

In der anschließenden Diskussion taucht die Frage auf, ob Miklas ein „Antisemit“ sei, mit den „Nationalsozialisten zu tun“ habe und das Künstlertheater von ihm und seinen Freunden als „marxistisch“ und „verjudet“ bezeichnet würde.

Um das Thema zu wechseln oder um auf das einzige Thema zu kommen, das ihn wirklich interessiert, beginnt Schauspieler Otto Ulrichs, der dem Widerstand angehört, mit Höfgen über das „Revolutionären Theater“ zu sprechen.

Ulrichs, für den die Bühne zunächst und vor allem ein politisches Instrument bedeutet, hängt mit zäher Leidenschaft an diesem Projekt. Das Stück, das man für die Eröffnungsvorstellung ausgesucht habe, eigne sich glänzend, …er habe es noch einmal genau durchgearbeitet…man interessieren sich in der Partei sehr ernsthaft für die Sache. Die von der Theaterleitung vorgebrachten „kleinbürgerlichen Bedenken“ werden von Höfgen „väterlich herablassend“ vom Tisch gewischt.

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Kapitel II.

Die Tanzstunde

Es geht in diesem Kapitel um Höfgens Beziehung zur „Schwarzen Venus“ oder „Königin Tebab“, oder „Prinzessin Tabea“ oder einfach „Negerin“.

Die Frau in seinem Zimmer nennt ihn „Heinz“. Nur sie, Juliette, darf es wagen, ihn so zu nennen. Bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr nannten ihn alle Heinz, denn das war sein Taufname. Als Schauspieler legte er sich den Namen Hendrik zu.

Höfgen hat die Bekanntschaft seiner „Schwarzen Venus“ in einer Hafen-Kneipe gemacht. Ihre Markenzeichen sind grüne Schaftstiefel aus geschmeidigem Lackleder und ein graues Pelzjäckchen. Das eleganteste Stück ihrer Ausstattung ist aber die Reitpeitsche – ein Geschenk Hendriks. Sie ist leuchtend rot, aus geflochtenem Leder.

Das dunkle Mädchen ist die „Lehrerin“ – also die Herrin; vor ihr steht der bleiche Höfgen als der „Schüler“ – als der Gehorchende, Sich-Erniedrigende, der die häufige Strafe mit der gleichen Demut empfängt wie das seltene, karge Lob.

Die Peitsche pfeifft in den masochistischen Spielen grausam quer über seinen Körper. Höfgen beginnt dann nach ihren Befehlen allein zu tanzen. Sie treibt ihn an. Er tanzt eine halbe Stunde. Es kommt fast zum Zusammenbruch. Er nennt sie „Geliebte“ – sie nennt ihn „mein Schweinchen“. Er keucht: „Ich werde dich immer lieben. Du bist stark. Du bist rein. Nie wieder finde ich eine Frau wie dich. Du bist die Frau meines Lebens, Prinzessin Tebab.

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Kapitel III.

Knorke

Höfgen arbeitet sechzehn Stunden am Tag und hat jede Woche einen Nervenzusammenbruch.

Hans Miklas schimpft mit seinen politischen Freunden weiter auf Marxisten, Juden und Judenknechte.

Otto Ulrichs ist unzufrieden, dass die Eröffnung des revolutionären Theaters von Höfgen immer wieder hinausgeschoben wird. Auf entsprechende Fragen vertröstet ihn Höfgen mit Floskeln über die Verwerflichkeit des Kapitalismus, vom Theater als politischem Instrument, von der Notwendigkeit einer kraftvollen, durchgearbeiteten, künstlerisch-politischen Aktion, , geißelt die moralische Verkommenheit der Bourgeoisie und preist die internationale Solidarität des Proletariats.

In diese Situation platzt Theophil Marders Komödie „Knorke“.

Sie gehört in einen Zyklus von satirischen Stücken, die das deutsche Bürgertum unter Wilhelm II. schildern und verhöhnen. Höfgen übernimmt die männliche Hauptrolle. Zu seiner Partnerin wird Nicoletta von Niebuhr erkoren.

Marder lädt Höfgen, Barbara und Nicoletta nach der außerordentlich erfolgreichen Vorstellung zum Abendessen in ein feines Restaurant ein. Barbara, die Tochter des Geheimrats Bruckner und engste Freundin von Nicoletta erregt Hendriks Aufmerksamkeit – er wendet sich ihr zu.

Ihm waren schon viele Frauen begegnet, aber noch keine wie diese. Er denkt: „Barbara wird mein guter Engel sein.“ Pathetisch deklamiert er ihr seine Gesinnung vor, verkündet seine Hoffnung auf die Weltrevolution und die Sendungen des Revolutionären Theaters. Nicoletta drängt Höfgen zur Heirat mit Barbara wovon er sich auch Vorteile erhofft. Heulend macht er ihr einen Heiratsantrag, den sie mit den Worten annimmt„ „Wenn du es so gerne willst, Hendrik…Wir können es ja versuchen…Wir können es ja versuchen…“

Das war die Verlobung.

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Das Kapitel IV.

Barbara

Hendrik drängt: die Hochzeit sollt noch im Sommer stattfinden. Barbara stellt sich immer wieder die Frage: Soll sie diesem „vieldeutigen und gewandten, höchst begabten, manchmal rührenden, zuweilen beinah abstoßenden Menschen“ – soll sie diesem Komödianten Hendrik Höfgen wirklich das Ja-Wort geben?

Sie statten Barbaras Vater, dem berühmten Geheimrat Bruckner einen Besuch ab und erwarteten dazu auch Höfgens Mutter Bella und seine Schwester Josy. Als Schwiegersohn Höfgen bei dem gemeinsamen Essen dazu übergeht, in „effektvoll studierter Rede“ dem Geheimrat seine Gesinnung auseinanderzusetzen, wobei er für den „ausbeuterischen Zynismus“ der Bourgeoisie und den frevelhaften Irrsinn des Nationalismus die vernichtendsten Worte findet – antwortet der Geheimrat: „Sie sprechen so verächtlich von den Bourgeoisien. Aber ich bin auch einer. Freilich kein nationalistischer und hoffentlich auch kein ausbeuterischer.“

Höfgen stammelt, es gibt auch „bürgerlich-überbürgerliche Typen“, für die der „kommunistisch gesinnte Mensch“ durchaus Wertschätzung habe und dass das große Erbe der bürgerlichen Revolutionen und des Liberalismus im bolschewistischen Pathos lebendig bleibe.

Der Geheimrat antwortet ihm mit einem Bericht von seinen Eindrücken in der Sowjetunion: „Jeder objektiv Beobachtende muss es feststellen, und wir alle sollten uns an den Gedanken gewöhnen, dass dort drüben eine neue Form des menschlichen Zusammenlebens im Entstehen ist.“

Der Besuch beim Geheimrat, das Auftreten seiner Mutter und seiner Schwester, die prächtige Hochzeit und Hochzeitsfeier und die Begegnung mit der „Generalin“, der Großmutter von Barbara, die schon im Jahre 1900 für das Frauenstimmrecht plädieren durfte und gegen die Todesstrafe war – festigten Hendrik Höfgens Gedanken, die ihn immer schon bewegten: Ich muss hinauskommen aus meinem alten Milieu. Ich muss das alles weit, weit hinter mir lassen.

Das Brautpaar und Nicoletta unternehmen eine Hochzeitsreise, treffen auf den Poeten Marder und besuchen ihn jeden Tag. Nicoletta und Marder kommen sich näher.

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Kapitel V.

Der Ehemann

Alle drei sind zurück in Hamburg. Es herrscht wieder Alltag im Theater, alles dreht sich um Nicoletta. Mit einem Telegramm fordert Marder sie auf, sofort zu ihm zu kommen. Sie will zu ihm und gibt ihre Aufführungen und ihre Karriere auf. Alle versuchen sie umzustimmen… Aber, Nicoletta reist ab, ohne sich von Barbara verabschiedet zu haben. Sie heiratet Marder. Barbaras Dasein in Hamburg, der neue Alltag in der fremden Stadt und an der Seite eines fremden Mannes nehmen sie in Anspruch. “Ich bin betrogen worden“, denkt sie jetzt oft. Es kommt zu einer tiefen Krise in der Beziehung. Er träumt von der „Schwarzen Venus“ und empfindet die „ordinäre Genugtuung des Ehemannes, der seine Frau betrügt und stolz darauf ist, dass sie ihm nicht dahinterkommt.“ Schon in der zweiten Woche nach ihrer Rückkehr hat Hendrik die „Schwarze Venus“ wiedergetroffen. In der Dachkammer „begannen erneut wieder die makabren Exerzitien“ – zweimal in der Woche. Dabei schüttet er ihr sein Herz aus und spricht dabei verächtlich über seine Frau. Ihr Leben konnte unterschiedlicher nicht sein.

Barbara sucht das Gespräch mit Hans Miklas. Der gibt weiter Naziparolen von sich. Er glaubt deren Lügen und Versprechungen. Barbara versucht ihn umzustimmen, macht ihn auf seinen Irrweg erfolglos aufmerksam. Als Höfgen von den Gesprächen zwischen Miklas und Barbara hört, kommt es zu einer der heftigsten Auseinandersetzung zwischen ihnen. Höfgen verbietet seiner Frau diktatorisch noch ein einziges Wort mit Miklas zu reden!

Dem folgt ein heftiger Zusammenstoß zwischen Höfgen und Miklas. Als Höfgen auf die Frage, wer spielt in dem Theaterstück die weibliche Hauptrolle antwortet: “Eine blöde Kuh. Sie heißt Lotte Lindental.“, rastet Miklas aus. Er droht und weist darauf hin, dass sie die Gattin des großen Naziführers, des Fliegergenerals sei. Die dürfe man nicht derart beleidigen. Höfgen fordert daraufhin bei der Theaterleitung ultimativ die Entlassung von Miklas. Wenn das nicht geschehe, werde er das Theater verlassen. Ein Schlichtungsversuch von Otto Ulrichs scheitert. Die Theaterleitung knickt schließlich ein. Mit zwei Monatsgehältern wird Miklas entlassen. „Miklas flog.“

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Kapitel VI.

es ist doch nicht zu schildern…

Die Klage des Hendrik Höfgen: In der Berliner Theaterwelt feiert man Triumphe. Und ich sitze hier in der Provinz. Die Hauptstadt kommt ohne mich aus! Meinen Namen kennt man nicht in Berlin. Die Sucht nach dem Ruhm nagte an ihm, wie ein physischer Schmerz. Aber zunächst gastiert er in Wien. Nach dem kurzen Zwischenaufenthalt kann er mit seinen Berliner Freunden und Unterstützern einen „schönen Anfang seiner Berliner Karriere“ feiern. Die Kollegen munkeln: „Aus dem kann was werden!““ Und Klaus Mann ergänzt: „Aus dem wird etwas: es ist bald soweit.“

Und die Prognose bestätigt sich. Sein erstes Theaterstück wird ein „russisches Stück“ in dem er „einen betrunkenen jungen Bauern“ spielt.

Das Berliner Publikum und die Presse sind begeistert. Es sei etwas „Bachantisches in diesem Menschen“.

Den absoluten Durchbruch erreicht er mit seiner Rolle in dem zweiten Theaterstück, dem „erregenden Drama Die Schuld“. Alle überschlagen sich vor Begeisterung – nur der Professor nimmt „diesen Höfgen“ noch immer nicht ernst.

Aber, am Ende seiner ersten Spielzeit in Berlin kann er zufrieden sein. Das wirkt sich positiv aus auf seinen Vertrag für die Spielzeit 1929/30.

In diesem Sommer filmt er zum ersten Mal – in einem Kriminalfilm.

Auch hier reagieren alle begeistert, er wird mit weiteren Filmangeboten überhäuft, er ist der Umworbene beim Film und beim Theater.

Für Höfgen ist klar: Dieses ist die Karriere! Der große Traum hat sich in Wirklichkeit verwandelt. Er wird von allen umschmeichelt und kann nach Gutdünken alles Wichtige entscheiden. Seine Frau Barbara hat sich fast ganz von ihm zurückgezogen. Auch ihr Vater, Geheimrat Bruckner meidet Berlin. Nur einmal kommt er noch für eine große kulturpolitische und tagespolitische Rede zu halten: „Die drohende Barbarei“. Mit ihr will der Geheimrat den geistigen Teil des Bürgertums noch einmal – zum letzten Mal – warnen vor dem, was heraufkommt und was Verfinsterung und Rückschlag bedeutet, während es sich selber frech „Erwachen“ und „nationale Revolution“ zu nennen wagt.

Klaus Mann schreibt: „Der Geheimrat Bruckner entzieht sich einer Gesellschaft – in welcher Hendrik Höfgen Triumphe feiert.“

Höfgen bekommt Briefe von seiner „schwarzen Königstochter“ aus Hamburg, schickt seiner „Prinzessin Tebab“ das Reisegeld, sie trifft in Berlin ein. Höfgen mietet ihr ein Zimmer und besucht die wöchentlich mindestens einmal für ihre masochistischen Spiele. Sie, die „einem großen Affen zum Verwechseln ähnlich“ aussieht, erpresst ihn mit der Drohung, ihn im Theater aufzusuchen. Er erneuert und bekräftigt dem „Urwaldmädchen“ seine erregten Liebesschwüre und vergnügt sich danach in den Salons der „verkommenen“ Berliner Gesellschaft, die von Höfgens „lasterhaften Zug um den Mund“ und den „herrlich blasierten Augen“ schwärmt.

Er macht die Bekanntschaft des Journalisten Müller-Andreä und des „berühmten französischen Schriftstellers“ Pierre Larue, die ihn lange begleiten werden.

Klaus Mann schildert dann die vorfaschistische gesellschaftliche Situation außerordentlich realistisch in Frageform und fügt die Frage an: „Fällt es denn dem Schauspieler Höfgen nicht auf, dass die Veranstaltungen, deren fragwürdiger Held er ist, im Grund makabren Charakters sind, und dass der Tanz, zu dessen beliebtesten Anführern er gehört ´, die grausige Tendenz zum Abgrund hat? Hendrik Höfgen …sieht nichts, hört nichts, merkt nichts.“ Mann fügt dem eine scharfe Abrechnung mit dem armseligen alltäglichen Leben des Schauspielers hinzu. Er weitet die Abrechnung aus auf seine schauspielerischen Auftritte. Dennoch muss Mann erkennen: „Er ist der Liebling der links-bürgerlichen und linken Blätter – wie er der Favorit der großen jüdischen Salons ist, und bleibt. Gerade der Umstand, dass er kein Jude ist, lässt ihn diesen Kreisen besonders schätzenswert erscheinen.“ Die Rechten lehnen ihn ab, sie sehen in ihm einen „Kulturbolschewisten“. Höfgen hat seine Beziehungen zu kommunistischen oder halbkommunistischen Kreisen keineswegs aufgegeben, denen er seinen unversöhnlichen Hass gegen den Kapitalismus und seine glühende Hoffnung auf die Weltrevolution versichert.

Halt und Unterstützung bietet ihm die weiterbestehende Freundschaft mit Otto Ulrichs, der ebenfalls sein Engagement in Hamburg aufgegeben hat und in Berlin das politische Kabarett „Der Sturmvogel“ leitet, sowie dessen antifaschistische Einschätzungen und Taten. Höfgen nimmt im „Sturmvogel“ an einer Veranstaltung mit russischen Autoren Teil und springt mit den Worten auf die Bühne: „Nichts von Berühmtheit, nichts von Staatstheater! Ich bin euer Genosse Höfgen!“ Und er spendet an eine „gewisse Organisation der Kommunistischen Partei“.

Klaus Mann wirft aber auch an dieser Stelle wieder viele Fragen zu Höfgen auf: „Was weiß Hendrik überhaupt von Menschen? – und meint seine Frau Barbara, seine Mutter Bella, Nicoletta Marder, Otto Ulrichs, Hans Miklas und seine Geliebte Juliette?“ Hendrik weiß nichts davon.

Aber er weiß, dass er in der Saison 1932/33 den Mephisto in der neuen Faust-Inszenierung spielen wird. Für keine andere Rolle hat er jemals so viel Eifer aufgebracht. Es soll sein Meisterstück werden. Die Premiere endet mit Ovationen und der Verabschiedung von Dora Martin, die Deutschland verlässt und ins Exil in die USA gehen wird.

Kapitel VII.

Der Pakt mit dem Teufel

Es beginnt ein zeitlicher Sprung. Der Faschismus hat Ende Januar 1933 die Macht übertragen bekommen.

So eröffnet Klaus Mann seine Anklage gegen den Faschismus: „Wehe, der Himmel über diesem Lande ist finster geworden…ein Strom von Blut und Tränen ergießt sich durch die Straßen aller seiner Städte.“

Höfgen war in Spanien in der Nähe von Madrid zu Außenaufnahmen für einen neuen Film. Im Hotel kauft er sich Zeitungen um sich zu informieren. Unsicherheit und Angst ergreifen ihn. Er erinnert sich, dass er die Aufführung aller Stücke des Blut- und Bodendichters Cäsar von Munck verhindert hat, den Rauswurf von Klaus Miklas wegen einer Bagatelle durchsetzte und sein Auftritt im „Sturmvogel…Werden sie sich jetzt an mir rächen? Nach einer halben Flasche Champagner beruhigt er sich – glaubt an den erfolgreichen Widerstand der Sozialdemokraten und Kommunisten und dass der Versuch, das deutsche Volk dem Faschismus auszuliefern nur enden könne mit der sozialistischen Revolution.

Außerdem könne ihm nichts passieren, denn er, wie die ganze Familie, waren „blonde Rheinländer“, er gehörte keiner Partei an und war auch kein Jude. Das erschien ihm besonders tröstlich und bedeutungsvoll. Dennoch erreichen ihn keine guten Nachrichten aus Berlin. Er entscheidet sich, zunächst nicht nach Berlin zurückzukehren, sondern einen längeren Aufenthalt in Paris einzulegen. Die erste Nachricht, die ihn in Paris erreicht ist die vom Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 und die anschließende Verbots- und Verhaftungswelle, der auch sein Freund Otto Ulrichs zum Opfer fällt. Man drängt ihn, nicht nach Berlin zurückzukehren.

Von Tag zu Tag verschiebt er seine Rückreise nach Berlin. Es sind bittere Wochen. Es bedrängt ihn die Frage, ob er auch ein Emigrant werden soll…Plötzlich erwacht seine Sehnsucht nach seiner Frau Barbara. Er weiß aber nicht, wo sie sich befindet. Und dann steigt seine Sehnsucht nach seiner „Schwarzen Venus“ seiner „Prinzessin Tebab“ mit ihren grünen Stiefeln und der roten, geflochtenen Peitsche.

In dieser Situation mit den wildesten Träumen zu einer gemeinsamen Zukunft erreicht Höfgen ein Brief von der „kleinen Angelika Siebert“. Darin schildert sie ausgiebig ihre Begegnungen mit Frau Lindenthal, der Lebensgefährtin des Ministerpräsidenten. Sie versichert Höfgen eine gefahrlose Rückkehr nach Berlin, weil sie mit ihm in einem Theaterstück auftreten wolle. Der „Mächtige“ habe ihr versichert: „Der Bursche soll kommen. Er ist kein Jude. Ihm geschieht nichts, was er auch früher angestellt haben mag.“

So endere die trübe Leidenszeit in Paris. Auf dem Gang zum Bahnhof kommt er am Café du Dome vorbei und erkennt, an einem Tisch sitzend Hedda von Herzfelde, seine Frau Barbara, ein ihm unbekanntes Mädchen und zwei junge Männer von denen einer Sebastian ist. Er verzichtet auf eine Begegnung mit ihnen, eilt zum Bahnhof und erreicht im Schlafwagen Berlin.

Sofort beginnen die Proben zum Stück „Das Herz“ mit Lotte Lindenthal. Anschließend bringt er sie mit seinem Auto nach Hause. Er macht ihr Komplimente zieht über Dora Martin her. Die Verabschiedung läuft mit Handkuss und Abschiedswink genauso wie er es gewünscht hat. Er spürt einen „Glücksschauer“, denn ihm war klar, ohne die Protektion der Lindenthal ist er verloren. Er hat viele Feinde. Der Blut-und Bodendichter Cäsar von Muck, den der Propagandaminister zum Intendanten des Staatstheaters gemacht hatte, empfängt ihn mit den Worten: „Hier herrscht nun ein anderer Geist als der, den sie in diesem Haus gewöhnt waren. Mit dem Kulturbolschewismus ist Schluss.“ Höfgen beherrscht danach nur ein Gedanke: „Lotte Lindenthal muss mich lieben! Lotte soll erobert werden wie eine Festung!“

Hilfe für Opfer des Faschismus lehnt er mit dem Argument ab, er sei selber in Gefahr. Die Verhaftung und extreme Folterung seines Freundes, des „kommunistischen Schauspielers und Agitators“, Otto Ulrichs, nach dem Reichstagsbrand im Columbiahaus, nennt er zwar „scheußlich“, tut aber sonst nichts.

Mit Lotte läuft es dagegen immer besser. Ihr Lächeln wurde immer süßer, immer vielversprechender. Dennoch bleibt seine Haltung zu ihr ambivalent. Er hütet sich aber, ihr das offen zu gesrehen. Der Angst vor ihrer eigenen Unzulänglichkeit entgegnet Höfgen mit warmen beruhigenden Worten.

In die Proben platzt die Meldung, dass an Staatstheater erneut der „Faust“ aufgeführt werden soll – mit Cäsar von Muck als Mephisto – langjähriges Mitglied der NSDAP – und mit Einverständnis des Propagandaministers.

Für Höfgen ist das ein Akt der Rache mit tiefgreifenden negativen Auswirkungen für ihn. Er wendet sich hilfesuchend an Lotte Lindenthal. Sie verspricht ihm, noch heute mit ihrem Liebhaber, dem Fliegergeneral und Ministerpräsidenten zu sprechen. Und sie ist erfolgreich. Am nächsten Tag wird Höfgen zur „Arrangierprobe“ für die neue Faust – Einstudierung im Staatstheater eingeladen. „Das war der Sieg! Ich bin gerettet!“

Der „nationale Dichter und Intendant Cäsar von Muck lässt ihn in sein Büro bitten und zeigt sich Höfgen gegenüber als völlig gewandelt. Er hat sich entschlossen, sein Verhalten Höfgen gegenüber mit einem Schlag und total zu ändern – seitdem der Ministerpräsident sich für diesen Schauspieler eingesetzt hatte.

Auf seinem Gang in die Garderobe tritt er auf Hans Miklas. Er ist unsicher, wie er sich verhalten soll. Was ist, wenn er Lotte von dem Vorfall in Hamburg berichtet. Höfgen entscheidet sich für eine hochmütige Variante. Mit einem dummen Spruch geht er einfach an Miklas vorüber, der sich wehmütig an den Rausch in den ersten Monaten der Herrschaft der Nazis und ihres Führers erinnert. Man hatte ihm sogar eine Stellung an der Preußischen Staatsbühne besorgt.

Der Dicke und seine Freundin Lotte besuchen die Premiere der Faust-Aufführung. Nach der Aufführung besucht Höfgen die „hohen Herrschaften“ in ihrer Loge. Nach angeregten Gesprächen erhebt sich der Ministerpräsident „mit all seiner Grö0e und funkelnder Fülle“, und streckt dem Komödianten die Hand hin. Für Lotte ist klar: „Der Schauspieler verführt die Macht“. Für Hendrik ist klar, als er sich tief über die fleischige und behaarte Hand des Mächtigen neigt: „Jetzt habe ich mich beschmutzt. Jetzt habe ich mich verkauft. Jetzt bin ich gezeichnet“.

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Kapitel VIII.

Über Leichen

Die Vorkommnisse in der Loge wurden in den Cafés und Salons eifrig diskutiert und kommentiert. Den Namen Höfgen nannte man nun mit einer „neuen Ehrfurcht“.

„Auf ihn war ein Schimmer von den ungeheuren Glanz gefallen, der die Macht umgibt.“

Klaus Mann fügt danach eine bissig-satirische, aber auch realistische Charakterisierung des „dicken Fliegergenerals“, des lügenden „Reklamechefs“ und ihres „Führers“ hinzu. Das allein lohnt schon, den Roman zu lesen, denn es wird darin von Klaus Mann bereits in der ersten Hälfte des Jahres 1936 die Gefahr eines Krieges erkannt und der verbrecherische Charakter des Faschismus benannt.

Höfgens freundlich-unterwürfiges Treffen mit der „Macht“ war und blieb die Sensation und Höfgen ist „hysterisch vor Glück“, denn der Ministerpräsident hat ihn zu einem „intimen Abendessen ins Palais gebeten“.

Das ist Hendrik Hüfgens dritter Aufstieg.

Der erste war der solideste und der verdienteste, denn in Hamburg hatte Hendrik gute Arbeit geleistet, das Publikum musste ihm für manchen schönen Abend dankbar sein.

Die zweite Etappe, im Berlin der „Systemzeit“, hatte schon ein fiebriges übertriebenes Tempo und viele Zeichen des hektisch Ungesunden gehabt.

Diese dritte Etappe aber hat den „Charakter einer Beförderung“, sie kam „schlagartig“ wie alle Aktionen, die von der nationalsozialistischen Regierung ausgingen. Vor kurzem war Hendrik Höfgen in Paris noch „eine Art Emigrant“ gewesen; gestern noch eine „halbverdächtige Figur“ und buchstäblich über Nacht war er zum „großen Mann“ avanciert: „ein Wink des dicken Ministers hatte dies zuwege gebracht“.

Höffgen sinniert: „Wie glücklich sich alles fügte, ich bin ein „Glückskind“, zu mir hätte ein Leben als Emigrant in Paris „nicht gepasst“. Er trifft wieder auf Müller-Andreä, Pierre Larue und Doktor Radig und erlebt ein völlig neues Verhalten ihm gegenüber und ihr offenes Bekenntnis zum Nationalsozialismus, das natürlich mit materiellen Donationen erkauft wurde. Sie haben jeglichen Scham und jegliche Skrupel aufgegeben.

Die Beziehungen zwischen Höfgen und Lotte Lindenthal gewinnen durch viele Besuche „in ihrem schönen Heim am Tiergarten“ und „trauten Abendstunden“ an „menschlicher Wärme“. Eines abends entscheidet sich Höfgen, völlig offen zu werden und von seiner „schlimmen Vergangenheit“ zu sprechen. Der „Gewaltige“ nimmt die „Beichte“ gnädig auf, denn er hat alles bereits gewusst und bemerkt: „Jeder kann sich mal in was Blödes verrennen. Es waren eben schlechte, unordentliche Zeiten.“

Höfgen erweitert seine „Beichte“ mit den Sätzen: „Herr Ministerpräsident – ich bitte für Otto Ulrichs. Man hat schon gesagt, er sei tot. Aber er lebt. Und er verdient es, in der Freiheit zu leben.“ Der Ministerpräsident knurrt: „Meinen sie den Leiter des kommunistischen Kabaretts ‚Der Sturmvogel‘? Aber das ist doch „ein übler Kerl.“

Hendrik widerspricht und wird von Lotte unterstützt. So gelingt die Freilassung von Otto Ulrichs verbunden mit einem kleinen Engagement als Schauspieler am Staatstheater. Der aber lehnte es ab, die „Gnade der Mörder“ anzunehmen. Mit viel Energie und Argumenten gelingt es Höfgen Ulrichs umzustimmen. „ich habe einen Menschen gerettet“, denkt er stolz und beruhigt damit sein Gewissen.

Aber es bedrückt ihn eine andere Sorge. Wenn seine Feinde herausbekommen, dass er „mit einer Negerin ein Verhältnis hat“ und sich obendrein „von ihr hauen lässt“, dann ist er verloren. Eine Schwarze – das war mindestens ebenso arg wie eine Jüdin. Es war ganz genau das, was man jetzt als „Rassenschande“ bezeichnet. Er muss sie loswerden!

Er drängt sie, nach Paris zu gehen und verspricht ihr eine kleine finanzielle Hilfe. Sie lehnt ab. Es kommt zu einem lauten heftigen Streit zwischen ihnen. In den nächsten Tagen versucht sie erfolglos mit ihm in Kontakt zu kommen und entschließt sich, ihn im Theater aufzusuchen. Er flieht vor ihr, sie ruft ihm nach: „Ich komme jeden Abend!“

In dieser sehr gefährlichen Situation wendet sich Höfgen an seinen dicken Gönner und bittet ihn um Hilfe. Der reagiert erstaunlich verständnisvoll und konkret: „Ein Negerweib fuchtelt mit der Peitsche vor dem Staatstheater herum! Das ist ja eine schöne Geschichte! Ja, was machen wir da? Das Mädel muss weg, soviel ist sicher. Lassen sie mich nur machen.“

Noch am selben Tag wird sie verhaftet und sperrt sie in eine halbdunkle Zelle. Hendrik bedient sich der unbarmherzigen Macht, um sie, ein schutzloses Mädchen, aus dem Weg zu räumen. Dann besucht er sie und verspricht, dass sie frei sei und sofort nach Paris abreisen dürfe. Es sei alles geregelt: Visum. Gepäck, finanzielle Hilfen jeden Monatsersten. Das sei aber an eine Bedingung geknüpft: „Du musst schweigen!“. Sie nickt zustimmend.

Damit war Juliette aus seinem Leben verschwunden. Und auch Barbara war aus seinem Leben verschwunden.

Beiden hatte er geschworen, sie ewig zu lieben.

Aus seinem Leben nicht verschwunden ist ein völlig veränderter Klaus Miklas. Niemals, auch nicht in der Hamburger Zeit, hatte er so böse und so schrecklich geschimpft. Damals waren doch noch Hoffnungen und ein großer fester Glaube an den „Führer“, an den Nationalsozialismus in seinem Leben bestimmend. Jetzt hört man ihn sagen: „Es ist alles Scheße. Wir sind betrogen worden…Der Führer wollte die Macht, sonst gar nichts…Was hat sich denn in Deutschland gebessert, seitdem er sie hat?…Die reichen Leute sind nur noch ärger geworden…Jetzt reden sie patriotischen Quatsch, während sie ihre Geschäfte machen – das ist der einzige Unterschied…Ein alter Kulturbolschewist ist aber, wie der Höfgen, der über Leichen geht, ist wieder die große Nummer…“

Sein Zorn und seine Enttäuschung über die wirkliche Entwicklung im Faschismus, über die vielen Ungerechtigkeiten lassen ihn unvorsichtig werden. Er erkennt nicht die großen Gefahren, die auf ihn lauern, wenn er offen seine Kritik äußert. Er wird – ohne Erfolg – gewarnt und verwarnt.

Die kleine Angelika klagt: „Du bist verloren, armer junger Hans Miklas!…Du wagst es, dich gegen Mächte und Personen aufzulehnen…Aber du bist schwach, junger Miklas, und du hast keinen Beschützer…Die Macht, die du geliebt hast, ist grausam. Sie duldet keine Kritik, und wer sich auflehnt, der wird zerschmettert. Weint denn niemand über deinen Sturz, über dies Ende einer so großen, so glühenden und so bitter betrogenen Hoffnung? Wer sollte denn weinen? Du warst beinah immer allein.“

Denn kamen zwei alte Kameraden zu ihm. Sie forderten ihn auf, sie in ein Auto zu begleiten. Sie fuhren mit ihm in ein Waldstück. Es war kalt, aber keiner seiner alten Kameraden gab ihm einen wärmenden Mantel. Sie forderten ihn zu einem Spaziergang auf und sahen nur seinen Rücken, nicht den unsagbar hochmütigen Ausdruck seines Gesichtes. Dann krachte der Schuss…

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Kapitel IX.

In vielen Städten

Das Jahr 1933 – für den Schauspieler Höfgen ein erfreuliches, glänzendes Jahr – war vorüber. Zuversichtlich und in bester Laune kann Hendrik das Jahr 1934 beginnen. Er ist der Huld der Mächtigen sicher. Auf die Gnade des Ministerpräsidenten kann er sich verlassen. Höfgen darf viele und schöne Rollen spielen. Er darf filmen und verdient viel Geld.

Hendrik wird umworben von Schmeicheleien und hat zahlreiche Freunde. Darunter ist auch der Dichter Benjamin Pelz, der in einer intimen Unterhaltung erklärt, dass er den Nationalsozialismus liebe, was er mit einem aggressiven und Angst machenden Wortschwall begründet. Fast visionär sind seine Aussagen zur Zukunft des Faschismus.

Höfgen nimmt den Wortschwall mit seinem „aasigen“ (dieser Ausdruck zieht sich durch den ganzen Roman) Lächeln entgegen.

Das sind seine Freunde. Wo aber sind die, die früher seine Freunde waren?

Barbara hat ihm aus Paris geschrieben, dass sie sich scheiden lassen will. Sie hat „über dreißig Prozent schlechtes Blut in ihren Adern und ist auch noch seit Februar 1933 eine Emigrantin“. Das genügt als Scheidungsgrund. Denn blonde Rheinländer, wie Höfgen einer ist, haben „Anspruch auf ein tadelloses reinrassiges Eheweib“.

Ihr “Freund Sebastian“ hilft bei der Produktion und Distribution einer Zeitschrift und erkennt: „Das Gesetz des Kampfes fordert von uns, dass wir auf tausend Nuancen verzichten und uns ganz auf eine Sache konzentrieren. Meine Aufgabe ist es jetzt nicht, zu erkennen oder Schönes zu formen, sondern zu wirken – soweit das in meinem Kräften steht. Es ist ein Opfer, welches ich bringe – das schwerste.“

Klaus Mann beschreibt dann sehr ausführlich die intensive Arbeit von Barbara und den Aufenthalt ihres Vaters, dem Geheimrat Bruckner in der Emigration in einem kleinen südfranzösischen Ort am Mittelmeer und seinen Begegnungen mit dem extremen Niedergang des Dichters Theophil Marder und seiner Frau Nicoletta, die nach einem Anfall Marders schluchzte: „Ich kann nicht mehr. Ich muss weg von hier. Ich halte es nicht mehr aus.“

Mann schildert dann interessante Einblicke in das Leben von Menschen, die Höfgen seine Freunde nennt.

Da ist der „Professor“, unterwegs mit Inszenierungen in zahlreichen Ländern und Städten, a sind dessen Angestellte an den Wiener Theatern, Fräulein „Rose“ Bernhard und Herrn Katz, da ist Dora Martin, die jüdische Schauspielerin, die man aus Berlin vertrieben hatte, an Theatern in London und New York, gepriesen als die „größte Bühnenkünstlerin der Erde“, da ist Oskar H. Kroge, der Vorkämpfer der Literatur, mit seinem Glauben an das „Theater als moralische Anstalt“ und an die „ewigen Ideale der Gerechtigkeit und der Freiheit“ , der in der Emigration in Prag (er ist kein Jude und kein Kommunist) versucht, an die gute Frankfurter und Hamburger Zeit anzuknüpfen. Er findet einen Vorstadtkeller, junge Schauspieler, Geldgeber und ein Stück in dem viel von der „Menschheit“ und von der „Morgenröteeiner besseren Zeit“ die Rede ist. Da ist Juliette Martens, Höfgens „Prinzessin Tebab“ die „Königstochter vom Kongo“ kann in Paris in einem kleinen Kabarett am Montmartre ihren „schönen Körper und ihre kunstvollen Steps“ zeigen. Ihr Herz hängt immer noch an Hendrik Höfgen. Nicoletta taucht eines Tages wieder in Berlin auf, in Hendrik Höfgens Wohnung am Reichskanzlerplatz und begründet, warum sie ihren Mann Theophil Marder verlassen hat.

Höfgen zieht daraufhin ein Fazit: „Diese ganze Emigration ist eine Angelegenheit für Schwächlinge. Diese Leute in ihren südfranzösischen Badeorten kommen sich wie Märtyrer vor, sind aber nur Deserteure. Wir hier stehen an der Front.“

Nicoletta will unbedingt wieder Theater spielen. Zunächst will Hendrik mit ihr in Hamburg gastieren.

Beide sind aber nicht zufrieden mit ihrem Abstecher nach Hamburg.

Lotte Lindenthal überrascht ihn mit der Nachricht, dass ihr „Bräutigam“ unzufrieden sei mit der Arbeit von Cäsar von Munck und als Nachfolger für den Intendanten der Preußischen Staatstheater Hendrik Höfgen ausersehen hat.

Den Protest des Propagandaministers konterte der Fliegergeneral mit den Worten: „Man soll Munck zum Präsidenten der Dichterakademie machen und ihn zunächst auf eine schöne Reise schicken“. Der Streit, in dem sogar der „Führer“ bemüht wurde, endet mit einem Sieg des Ministerpräsidenten. Höfgen zögert, hat Bedenken, erbittet ein vierundzwanzig Stunden dauernde Bedenkzeit, wägt ab – sehr zum Ärger des „Mächtigen“. Nicoletta drängt ihn, das Angebot anzunehmen: Am nächsten Tag stellte Hendrik Höfgen sein Talent, seinen Namen, seine Person ganz und gar der „blutbefleckten Macht“ zur Verfügung.

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Kapitel X.

Die Drohung

Im Theater, wo er nun als hohe Amtsperson handelt, ist er beliebt. Beinah alle Menschen mögen ihn, rühmen seine Leutseligkeit und sind der Ansicht, er sei ein feiner Kerl. Die antifaschistische Opposition schien ihm gegenüber milde gestimmt, denn mit Höfgen sei ein Nicht-Nationalsozialist auf so einem wichtigen Posten. Er habe immerhin Otto Ulrichs aus der Gestapohaft befreit und an die preußische Bühne gebracht. Er habe auf eigene Kosten den Privatsekretär Johannes Lehmann eingestellt, der Jude oder zumindest Halbjude sei. All das wird, so ist Höfgen überzeugt, zu einem Positiv-Posten bei meiner „Rückversicherung“, wenn sich die Machtverhältnisse wieder ändern sollten.

Das Theater ist auch unter Höfgens Leitung garantiert „judenrein“ und der Spielplan natürlich auch. Intendant Höfgen wagt sich also weder an den „Carlos“ noch an die „Räuber“, obwohl er selber gerne sowohl den Marquis Posa als auch den Franz Moor gespielt haben würde. Fast alle modernen Stücke, die bis zum Januar 1933 in den Spielplan einer anspruchsvollen deutschen Bühne gehört hatten, sind wegen „zersetzend kulturbolschewistischen Geistes“ scharf und mit Empörung abgelehnt. Höfgen kann sich nicht erlauben, eines von ihnen zur Aufführung vorzuschlagen. Heraus gekommen aus dem Dilemma ist ein kurioses Stücke-Mischmasch völlig unpolitischer Texte. Aber, die Einnahmen verbesserten sich. Wieder ein Pluspunkt für den neuen Intendanten.

Höfgen hat sich seine Eltern und Schwester Josy aus Köln nach Berlin kommen lassen. Mit ihnen bewohnt er eine große schlossartige Villa im Grunewald. Die Villa gibt dem jungen Intendanten das Relief, den hochherrschaftlichen Hintergrund, den er nun braucht und will. Hier im Grunewald wird er zum Grandseigneur. Geld spielt keine Rolle. Der Schauspieler Höfgen, der früher vom Leben nichts beansprucht hatte als ein reines Hemd und eine Flasche Eau de Cologne auf den Nachttisch, kann sich nun Rennpferde, eine große Dienerschaft und einen ganzen Park von Automobilen leisten. Niemand, oder fast niemand, nimmt Anstoß an dem Pomp, den er entfalten kann.

Die „Grunewald-Villa“ ist das Eigentum des jungen Intendanten; er nennt sie „Hendrik-Hall“ und hat sie einem jüdischen Bankdirektor, der nach London emigrierte, abgekauft. Jetzt ist er „Herr im Hause“, über dessen Schwelle beinah nur noch Menschen kommen, die mit Bewunderung und Ehrfurcht auf ihn blicken.

Hendrik veranstaltet zuweilen gemütliche Abende am Kaminfeuer oder reizende Sonntagbormittage im Garten.

Seine Mutter Bella führt den Haushalt ihres „großen Jungen“ und ist zu einer anerkannten Persönlichkeit der Berliner Gesellschaft geworden.

Der Vater hat sich zum Sonderling entwickelt mit einer Vorliebe für Kursbücher in denen er stundenlang blättert.

Seine Schwester Josy sucht häufig Gelegenheit, sich zu verloben. Nur noch standesgemäße Verbindungen kommen in Frage, junge Herren in SS-Uniformen werden bevorzugt.

Barbara kümmert sich in Paris um die politischen Flüchtlinge und um eine kleine aggressive Revue.

Nicoletta will sich von Marder scheiden lassen. In einem Brief an ihn schreibt sie: „Es macht mich selig, wieder arbeiten zu dürfen. In unserem neuen Deutschland herrscht ein allgemeiner Auftrieb, ein enthusiastischer Wille zur Arbeit, von dem dir, in deiner Einsamkeit, jede Vorstellung fehlt.“

Ihr unrühmlicher Abgang in Hamburg ist vergessen, sie hat „auf den großen Mann Hendrik“ Einfluss. Sie besuchen gemeinsam den Presseball. De Dichter Benjamin Pelz „für den die Diktatur des rassistischen Faschismus eine Art von blutig-phantastischem Sommernachtstraum“ bedeutet, bezeichnet das Paar als „Oberon und Titania“. Pelz formuliert das „neudeutsche Ballgeflüster in seiner feinsten, anspruchsvollsten Form“. Er gehört zu den regelmäßigen Besuchern der Grunewald-Villa „Hendrik-Hall“.

Der Intendant versucht, sein Haus im englischen Stil zu halten. Man genießt ohne Scham die luxuriösen Möglichkeiten, die sich den Hausbewohnern und den Gästen durch den ungeheuren Reichtum des Intendanten bieten.

Höfgen vermeidet jede kritische Äußerung, wenn Gäste da sind, die in

„intimen Beziehungen zur Macht stehen, oder gar selber einen Teil von ihr sind.“ Die äußerste Vorsicht verbindet er mit der „strahlendsten Heiterkeit, wenn Lotte Lindenthal ihm die Ehre ihres Besuches gab“.

Viele Leute treffen sich in „Hendrik-Hall“, angezogen von „dem Ruhm und der Liebenswürdigkeit des Hausherrn“. Es gab aber auch welche, die nicht teilnehmen an dem „heiter-üppigen Treiben“: die „Generalin“, die Großmutter von Barbara, und der Kommunist Otto Ulrichs, der nicht eingeladen wurde. Eine Einladung hätte er ohnehin nicht akzeptiert. Er hatte sein früheres positives Bild von Höfgen revidiert, revidieren müssen. Ulrichs ist im Widerstand! „Das Mitglied der Preußischen Staatstheater“, schreibt Klaus Mann, „beteiligt sich an unterirdischen Aktionen gegen das Regime. Ob es um heimliche Zusammenkünfte, ob es um die Herstellung und Verbreitung verbotener Flugblätter, Zeitungen und Broschüren ging oder um Sabotageakte in den Fabriken, bei den öffentlichen Festlichkeiten der Diktatur, bei Rundfunkübertragungen, Filmvorstellungen: der Schauspieler Otto Ulrichs gehörte zu denen, welche die Vorbereitungen entscheidend beeinflussten und bei den Handlungen ihr Leben riskierten.“ Und Klaus Mann fährt fort: „Er kämpft dafür die Kräfte des Widerstandes zu vereinen, die Opposition zu sammeln, die Front herzustellen, auszubauen, zu aktivieren – die Volksfront gegen die Diktatur zu schaffen.“

„Darauf kommt es an, und nur darauf“, erkannte der Schauspieler Ulbrichs.

Unterdessen sieht sich Höfgen einer regelrechten Gerüchte-Kampagne um die „Schwarze Venus“ und seiner Ex-Frau Barbara in Paris gegenüber. Höfgen beschließt, angesichts der Gefahren, die von solchen Gerüchten erwachsen können, Nicoletta zu heiraten. Er will damit, den „unangenehmen Gerüchten die Spitze abbrechen“. Der Ministerpräsident ist sehr zufrieden mit dieser Entscheidung seines „schlauen Protegées“. Man droht den Gerüchtemachern und kann dann feststellen: „Für den Augenblick ist er unangreifbar.“

Eine Audienz beim „Führer“, bei der „Macht“, beim „Messias aller Germanen“ verläuft gut. Der „Fliegergeneral“ ist zufrieden und „macht Höfgen zum „Staatsrat“, er befördert ihn zum „Senator“. „In allen kulturellen Institutionen des Dritten Reiches hat der Intendant seinen wichtigen Sitz…und gehört auch zum Vorstand des „Kultursenates“.

Der erste „Kameradschaftsabend“ dieser Vereinigung findet in „Hendrik-Hall“ statt. Es ist köstlich wie Klaus Mann den Verlauf schildert!

Die Presse berichtet darüber positiv und ernennt Höfgen zu den aktivsten „Trägern des deutschen Kulturwillens“. Der beteiligt sich auch an den Aktionen der Prominenten für die „Winterhilfe“.

Klaus Mann kommt damit zu einer Art Fazit: „Während der ‚Kultursenat‘ trauliche Kameradschaftsabende veranstaltet; während die Großen des Landes in den Hotelhallen für ihre notleidenden Volksgenossen milde Gaben einkassieren, mit denen man die Propaganda des Dritten Reiches im Ausland finanziert; während Hochzeiten gefeiert, Lieder gesungen und unendlich viele Reden gehalten werden – geht das Regime der totalen, militant-hochkapitalistischen Diktatur seinen schauerlichen Weg weiter, und am Rande des Weges häufen sich die Leichen.“

„Das fürchterliche Triumvirat: der Führer, der Dicke und der Hinkende“ verfestigen unterdessen ihre Entscheidungen „schlagartig!“ zu fassen. Und sie konzentrieren sich nach Klaus Mann auf die Jugend. „Die deutsche Jugend lernt das Wort ‚Pazifist‘ als einen Schimpfnamen; die deutsche Jugend braucht nicht Goethe oder Plato zu lesen, sie lernt schießen, Bomben werfen, sie ergötzen sich bei nächtlichen Geländeübungen; wenn der Führer vom Frieden schwatzt, begreift sie, dass er es nur scherzhaft meint. Diese militärisch organisierte, disziplinierte, gedrillte Jugend kennt nur ein Ziel, hat nur eine Perspektive: den Revanchekrieg, den Eroberungskrieg.“

Zur Ablenkung der Volksmassen werden „ausgedehnte Volksfeste“ organisiert und „Verfolgungen der Juden“ veranstaltet. Man verkündet: „Der Marxismus ist ausgerottet, aber immer noch eine Gefahr und Anlass zu Massenprozessen“, die deutsche Kultur ist ‚judenrein‘, die Butter wird knapp, aber Kanonen sind wichtiger.“

Klaus Mann wendet sich dann dem Schicksal des Widerstandskämpfers Otto Ulrichs zu. Er schreibt:„Wer sich auflehnte gegen das Regime, wusste, was er riskierte. Otto Ulrichs hatte sich sehr weit vorgewagt. Seine politischen Freunde wiesen ihm die schwierigstem und gefährlichsten Aufgaben zu. Er wagte zu viel. Eines Morgens wurde er verhaftet.

Höfgen wusste oder ahnte, was geschehen war und lies sich, als er sicher war, mit dem Palais des Ministerpräsidenten verbinden. Der reagiert sehr abweisend, erinnert an die Zeit im „Sturmvogel“ und gibt Höfgen den Rat, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Höfgen zuckt zurück, er beruhigt sich, will später erneut versuchen, etwas für seinen alten Freund zu erreichen. Dafür will er Lotte Lindenthal gewinnen. Als er sie erreicht und ihr seine Sorgen um Ulrichs schildert, bekommt er zur Antwort: „Wieso denn Sorgen? Er ist doch tot.“ Höfgen fährt sofort zum Palais des Ministerpräsidenten, der ihn in seinem Arbeitszimmer empfängt. Nach einer hitzigen verbalen Auseinandersetzung bestätigt der „Dicke“ den Tot von Otto Ulrichs. „Es scheint sich um einen Selbstmord zu handeln.“ Höfgen ist tief betroffen und zeigt es. Der „Dicke“ reagiert darauf drohend: „Ich habe ihnen schon einmal den guten Rat gegeben, und ich wiederhole ihn jetzt: Lassen sie ihre Finger von dieser Sache! Der Intendant meiner Staatstheater sollte sich nicht gar zu sehr für einen motorischen Hochverräter interessieren.“

Hendrik wurde schwindelig und bittet um die Erlaubnis, sich zurückziehen zu dürfen.

Im Theater wagt keiner, über den Tod von Ulrichs zu sprechen. Dennoch werden Einzelheiten zur Art und Weise seines „Selbstmords“ bekannt. Er wurde nicht hingerichtet, sondern bestialisch gefoltert.. Durch unbarmherzige Folter hat man versucht, die Namen seiner Mitarbeiter und Freunde von ihm zu erpressen. Er aber war standhaft geblieben. In seiner Wohnung wurde absolut gar kein belastendes Material gefunden. Das Opfer starb ihnen beim dritten „Verhör“ unter den Händen. Sein Körper war so zugerichtet, dass seine Mutter ihren Sohn nicht mehr identifizieren konnte. An er Beerdigung durfte niemand teilnehmen. Ein „Unbekannter“ hatte der Mutter Geld für einen Sarg geschickt, selbst kein Priester folgte dem Sarg eines „Selbstmörders. Nur die Mutter betete für ihren Sohn – und schickte das Geld an den Absender nach Berlin zurück. „So wurden Grabstein und Sarg des ermordeten Revolutionärs von der hohen Gage bezahlt, die der Herr Intendant vom nationalsozialistischen Staate bezog.“

Das war das Letzte und Einzige, was Hendrik Höfgen noch für seinen Freund Otto Ulrichs leistete – „es war“, so Klaus Mann, „ die letzte Beleidigung, die er ihm antat.“

Rasch ließ bei Höfgen die Anspannung nach. Der Druck wich von ihm. Es klingt wie eine Entschuldigung: „Mein ganzes Leben und alles was ich gesündigt habe – mein großer Verrat und all meine Schande sind allein zu rechtfertigen durch mein Künstlertum.“

Aber man klagt ihn an: „Du bist nicht vornehm, denn du bist ein Affe der Macht und ein Clpwn zur Zerstreuung der Mörder.“

Abwechslung, Vergessen und Zerstreuung bringen Proben und Aufführungen des „Hamlet“.

Die Kritik war der Ansicht, dass Höfgen „den tragischen Konflikt zwischen Tatbereitschaft und Gedankentiefe, der den deutschen Menschen auf so interessante Weise von allen übrigen Lebewesen unterscheidet, in seiner Hamlet-Darstellung selber spürbar werden ließ.“

Der „Mächtige“ und seine Lotte spendeten „demonstrativen Applaus“.

Das war die Versöhnung des Gewaltigen mit seinem Hofnarren: Mephistopheles-Hendrik empfand es dankbar. Schön und bleich in seinem Hamlet-Kostüm verbeugte er sich tief vor dem hohen Paar.“

„Ich bin wieder in Gnaden aufgenommen“, dachte Hendrik erleichtert, stellt aber in gleichen Atemzug fest: „Das verfluchte Theater, es frisst mich auf. Über ihm versäume ich das Leben.“

Er lässt sich nach der Vorstellung ermüdet in die „Hendrik-Hall“ bringen und verkriecht sich in seinem Arbeitszimmer.

Einem ungebetenen Gast an seinem Fenster, der ihn an Otto Ulrichs Tod erinnert, schreit er nach: „Ich bin überhaupt unentbehrlich!“

„Kein Regime kann ohne mich auskommen!“

„Ich habe sie alle verloren…alle habe ich sie eingebüßt.

Da öffnet sich die Tür und herein kommt Bella, seine Mutter. Er beginnt schrecklich zu weinen. Seine Stirn sinkt in den Schoß der Mutter. Mitleidend versteht sie alles. Sie begreift seine ganze Schuld, sein großes Versagen und die verzweifelt ungenügende Reue.

Klaus Mann beendet den Roman so: „Während sein erschöpftes, tränennasses Antlitz ein wenig nach hinten sank, ruft er, die Arme mit schöner, klagender, hilflos-hilfesuchender Geste gebreitet:

„Was wollen die Menschen von mir? Warum verfolgen sie mich? Weshalb sind sie so hart? Ich bin doch nur ein ganz gewöhnlicher Schauspieler!“

„Alle Personen dieses Buches stellen Typen dar, nicht Porträts.“

K.M.

Neue Beweise vorgelegt

23. März 2021

USA: Mumia Abu-Jamal kämpft mit Covid-19. Seine Anwälte für ein neues Berufungsverfahren

Von Jürgen Heiser, in junge Welt vom 22.März 2021

Der Zustand des politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal auf der Krankenstation des US-Staatsgefängnisses SCI Mahanoy in Frackville (Pennsylvania) ist weiterhin unklar. Sein Verteidigungsteam bemüht sich derzeit darum, dass sein Vertrauensarzt Ricardo Alvarez ihn besuchen darf. Nach jüngsten Informationen von Noelle Hanrahan von Prison Radio konnte Abu-Jamal inzwischen mit seiner Familie kurze Telefongespräche führen. Dabei habe er mitgeteilt, es habe weitere Tests gegeben. Schreiben und andere Außenkontakte sind ihm derzeit unmöglich.

Während die internationale Solidaritätsbewegung eine angemessene medizinische Versorgung des Bürgerrechtlers fordert, verlangt sie auch, dass ihm nach fast 40 Jahren unschuldig erlittener Haft endlich Gerechtigkeit vor den US-Gerichten widerfährt. Im Zentrum dieser juristischen Auseinandersetzung steht Philadelphias Bezirksstaatsanwalt Lawrence Krasner, der das Ende 2018 von Richter Leon Tucker vom Kriminalgericht in Philadelphia gewährte Berufungsverfahren Abu-Jamals vor dem Obersten Gerichtshof Pennsylvanias ablehnt. Am 3. Februar 2021 hatte Krasner Empörung ausgelöst mit einer Stellungnahme beim zuständigen Superior Court, dem zweithöchsten Berufungsgericht Pennsylvanias.

Vor der Presse hatte der Bezirksstaatsanwalt erklärt, die Frage von Schuld und Unschuld sei in dem jahrzehntelangen Verfahren »erschöpfend behandelt worden«. Die Solidaritätsbewegung warf dem früheren Bürgerrechtsanwalt Krasner daraufhin vor, er handele nicht anders als seine »korrupten Vorgänger«. Auch er unterdrücke durch die Ablehnung der Berufungsverhandlung Unschuldsbeweise. Damit gebe er seinen Segen dafür, dass Abu-Jamal, der als Radiojournalist bis zu seiner Verhaftung 1981 immer wieder die rassistische Polizeigewalt in Philadelphia entlarvt hatte, weiterhin als »Polizistenmörder« abgestempelt bleibe.

Am Wochenende wurde nun bekannt, dass Abu-Jamals Anwältin Judith Ritter und ihr Kollege Samuel Spital am vergangenen Mittwoch bei Gericht die Erwiderung auf Krasners Schriftsatz vom Februar eingereicht haben. Unter Vorlage umfangreicher entlastender Beweise widerlegten sie die Argumente des Bezirksstaatsanwalts und beantragten, Krasners Blockierung der Berufungsrechte Abu-Jamals zurückzuweisen. Der Superior Court möge »die Verweigerung des vom Kriminalgericht gewährten Berufungsrechts« durch Krasners Behörde »zurückweisen und die Anweisung erteilen, ein neues Verfahren zu gewähren«, so die Verteidigung abschließend.

Die von der US-Solidaritätszeitung Jamal Journal veröffentlichten Schriftsätze belegen, dass grundsätzliche Fragen in dem von Rassismus und Vorverurteilung geprägten Strafverfahren gegen Abu-Jamal bis heute ungeklärt sind. Die in Paris lebende US-Schriftstellerin Julia Wright erinnerte jetzt im Jamal Journal daran, dass bereits 2013 sowohl Erzbischof Desmond Tutu als auch der inzwischen verstorbene südafrikanische Präsident Nelson Mandela mit Tausenden anderen die sofortige Freilassung des Bürgerrechtlers gefordert hatten. Angesichts der Lebensgefahr, in der ihr Kollege schwebe, warnte Wright davor, die letzten »acht Minuten und sechsundvierzig Sekunden« von George Floyds Martyrium könnten für Abu-Jamal »jederzeit mit dem Stiefel beginnen«, den »das korrupte Strafjustizsystem Pennsylvanias ihm ins Genick setzt«, das »heute durch Larry Krasner verkörpert« werde. Deshalb ruft Wright dazu auf, weiter die im Jamal Journal veröffentlichte Petition https://campaigns.organizefor.org/petitions/to-da-krasner-stop-defending-mumia-abu-jamal-s-conviction zu unterschreiben und Abu-Jamals sofortige Freilassung zu fordern.

https://www.jungewelt.de/artikel/399032.neue-beweise-vorgelegt.html

Wiedergelesen

22. März 2021

Klaus Mann: „Mephisto“. Roman einer Karriere – Teil 1

Ein kaltes und böses Buch“

Von Dr. Dirk Krüger

I.

Am 24. Februar 1971, in diesen Tagen vor fünfzig Jahren, verkündete das Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland sein Urteil in einem Rechtsstreit, der durch alle Instanzen geführt worden war und national wie international große Beachtung fand. Begonnen hatte der Rechtsstreit nach dem Tode des Schauspielers Gustav Gründgens am 7. Oktober 1963, auf einer Weltreise in der Stadt Manila, mit einer Klage des Adoptivsohnes und Alleinerbes Peter Gorski gegen die Nymphenburger Verlagshandlung, die sich 1965 entschlossen hatte, den Roman „Mephisto“ von Klaus Mann auch in der Bundesrepublik zu veröffentlichen.

In der DDR war er bereits 1956, zwanzig Jahre nach der Erstausgabe und nach gescheiterten Versuchen von Erika Mann, einen bundesdeutschen Verlag für eine Veröffentlichung zu gewinnen, im Aufbau-Verlag veröffentlicht worden. Die Auflagenhöhe betrug stattliche 50.000 Exemplare, die rasch vergriffen waren, denn man konnte den Roman auch in der BRD erwerben.

In dem Rechtsstreit ging es im Grundsatz um das Verhältnis von Kunstfreiheit auf der einen und Persönlichkeitsschutz auf der anderen Seite. Das Gericht konstruierte einen „postmortalen“ Persönlichkeitsschutz, denn der im Grundgesetz verankerte Persönlichkeitsschutz kommt nur lebenden Personen zugute, und wertete in seiner Entscheidung den „postmortalen“ Persönlichkeitsschutz höher als die Kunstfreiheit. Damit war die Klage von Gorski gegen die Nymphenburger Verlagshandlung erfolgreich, die Veröffentlichung des Romans „Mephisto“ von Klaus Mann war damit in der BRD verboten. Das Urteil ist bis heute rechtskräftig. Erst zehn Jahre später, im Jahr 1981 wurde der Roman trotz des bestehenden Veröffentlichungsverbots in der Bundesrepublik im Rowohlt Verlag veröffentlicht und hat im Jahr 2012 seine 17. Auflage erreicht.

II.

Der Autor des Romans, Klaus Mann, wurde am 18. November 1906 als ältester Sohn von Thomas Mann in München geboren.

Am 13. März 1933 emigrierte Klaus Mann zunächst nach Paris und von dort in die kleine südfranzösische Ortschaft Sanary-sur-Mer wo seine Familie und viele deutsche Emigranten Zuflucht gefunden hatten. Die nächsten Stationen seiner Emigration waren Amsterdam und Küsnacht.

Am 10. Mai 1933 wurden auch seine Bücher verbrannt. 1934 erfolgte seine Ausbürgerung durch das Nazi-Regime.

Aus dieser Zeit sind seine vielfältigen antifaschistischen Tätigkeiten bekannt.

Er gründete und leitete die erste literarische Emigrantenzeitschrift „Die Sammlung“(1933/35). 1934 nahm er am 1. Allunionskongress der Sowjetschriftsteller in Moskau und im Juni 1935 am I. Internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur in Paris teil, auf dem er eine Aufsehen erregende Rede hielt. Er beschäftigte sich darin mit der Frage, wie es dem Faschismus gelingen konnte, die Jugend für sich zu gewinnen und warum die linken Kräfte in dieser Frage versagt hätten.

Um die Jahreswende 1935/36 bewegten und begeisterten ihn die Aktivitäten, die Artikel, Aufrufe und Einschätzungen seines Onkels Heinrich zur politischen Situation im faschistischen Deutschland und zum Beitrag der Literatur im Kampf gegen den Faschismus. Heinrich Mann spielte eine führende Rolle im Lutetia-Kreis und bei den Bemühungen um die Bildung einer deutschen Volksfront aller Hitler-Gegner. In dieser Zeit vertiefte Klaus Mann sich in Zeitungsartikel über die Situation in Nazideutschland, vertiefte sich erneut in den Roman seines Onkels „Der Untertan“, in Goethes „Faust“ und Maupassants „Bel Ami“. Die Gesamtheit dieser Eindrücke bestärkten ihn in seiner Absicht, einen neuen Roman zu schreiben.

Die Machtergreifung der Nazis hatte ihn und sein literarisches Schaffen grundlegend verändert – darin sind sich alle Biographen einig. Sie gab ihm eine neue Richtung und neue Ziele in seinem Ringen um eine aktive gesellschaftlich progressive Funktion bürgerlich-humanistischer Literatur. Er wurde zu einem Mittelpunkt, zu einer zentralen Figur der antifaschistischen Publizistik.Im Exil entstanden folglich Klaus Manns bedeutendste Werke, die trotz Flüchtigkeiten, Kompositionsschwächen und Hang zum Episodischen ein bemerkenswertes künstlerisches Vermögen offenbaren.

In dem Roman„Symphonie pathétique“ (1935), einer sehr freien – von autobiographischen Bekenntnissen offenbar mitbestimmten – und antiheroischen Tschaikowski-Darstellung, stehen das Psychisch-Pathologische, der Zerfall und der Untergang als wesentliche Elemente im Mittelpunkt.

In dem Roman „Der Vulkan. Roman unter Emigranten“ (1939) gibt Klaus Mann Einblicke in die Situation der Emigranten in Westeuropa und in den USA. Die Hauptfigur, ein homoerotisch veranlagter Dichter, endet im Selbstmord, einige der (vorwiegend) intellektuellen Gestalten überwinden jedoch ihre krisenhaften Anfechtungen, sie gelangen von tiefer Resignation zur politischen Aktion, z.B. im spanischen Freiheitskampf.

Klaus Manns letztes Buch „The Turning Point“ (dt. „Der Wendepunkt. Ein Lebensbericht“) ist schonungslose Autobiographie, Familiengeschichte und kulturpolitische und philosophische Betrachtung eines Zeitalters in einem. Es offenbart erneut den vorwiegend selbstbiographischen Charakter seines Werkes und seine Kunst der präzisen Beschreibung des Beobachteten und Erlebten.

III.

Der satirische „Roman einer Karriere“, „Mephisto“ – ein „Schlüsselroman“?

Es war kein Geringerer als sein Freund Hermann Kesten, der Klaus Mann im November 1935 nach der Veröffentlichung seines Romans „Symphonie pathétique“ von seiner Idee abbrachte, einen utopischen Roman über Europa in 200 Jahren zu schreiben. Er begeisterte Mann mit dem Vorschlag, in einem Roman – einer Gesellschaftssatire – den kometenhaften Aufstieg eines homosexuellen Karrieristen im Nazireich, mit dem Staatstheaterintendanten Gustaf Gründgens als Hauptfigur, künstlerisch zu beschreiben. Zudem sollte der Roman, so Kestens weiterer Vorschlag, gesellschaftskritisch werden und viele satirische Elemente enthalten.

Nach einigem Zögern und Abwägungen – es ging ja immerhin um einen Menschen, den er gut kannte, mit dem er Zusammengearbeitet hatte und der bis zur Scheidung seiner Schwester von Gründgens 1929 immerhin sein Schwager war – fasste er den Entschluss, dem Vorschlag Kestens zu folgen. Wir wissen aus seinen Tagebuchnotizen, dass er am 21. Dezember 1935 mit den Vorarbeiten zu dem Roman begann und sich für den Namen Hendrik Höfgen für die Roman Hauptfigur entschied, weil darin das Wort „Höfling“ mitschwinge – der Schauspieler als Hofnarr, als „Affe der Macht“ (so heißt es im Roman, S. 353). Er stellte Teile des Romans in Lesungen und Gesprächen vor, die beiden Amsterdamer Exil-Verlage meldeten sich kritisch zu Wort und Mann selber schrieb in seinen Tagebüchern 1936-1937 auf Seite 36: „ ‚Mephisto‘ wird ein kaltes und böses Buch. Vielleicht wird es den harten Glanz des Hasses haben.“

Am 17. Juni 1936 kündigte die Emigranten-Zeitung „Pariser Tageblatt“ einen Vorabdruck des Romans „Mephisto“ folgendermaßen an: „Das Werk ist ein Theaterroman aus dem Dritten Reich. Im Mittelpunkt stehen Figuren aus der Wirklichkeit, die glänzend gesehen sind.“

Ein paar Tage später folgte die folgende ergänzende Ankündigung: „Ein Schlüsselroman. Im Mittelpunkt steht die Figur eines Intendanten und braunen Staatsrates, der die Züge Gustav Gründgens trägt. Um ihn herum erkennt man den ganzen Tross der nationalsozialistischen Würdenträger.“

Diese Ankündigung löste Proteste aus, denen Klaus Mann entgegnete: „Kein Schlüsselroman. Eine notwendige Erklärung: Ich muß protestieren – um der Würde Ihres Blattes willen; um unserer Leser willen, die zu anspruchsvoll sind, als daß sie mit ‚Schlüsselromanen‘ amüsiert sein möchten; schließlich auch um meiner eigenen Würde willen…Hier handelt es sich um kein ‚Portrait‘, sondern um einen symbolischen Typus – der Leser wird beurteilen, ob auch einen lebensvollen, dichterisch geschauten und gestalteten Menschen.“

Diese „Richtigstellung“ wurde mit Schmunzeln bedacht, denn zu deutlich waren die lebenden Vorbilder der Romanfiguren zu identifizieren: Hendrik (eigentl. Heinz) Höfgen = Gustav Gründgens; Otto Ulrichs = Hans Otto; Juliette Martens = Andrea Manga Bell; Dora Martin = Elisabeth Bergner; Nicoletta von Niebuhr = Pamela Wedekind; Barbara Bruckner = Erika Mann; Geheimrat Bruckner = Thomas Mann; Sebastian = Klaus Mann; Ministerpräsident, der Fliegergeneral, der Dicke, die Macht, etc. = Hermann Göring; Theophil Marder = Carl Sternheim; Der Professor = Max Rreinhardt; Benjamin Pelz = Gottfried Bann.

Das sollte, das muss der Leser, die Leserin immer beachten und sich (als gutgemeinte Zusatzaufgabe) in die Biographien der wirklichen Personen und ihren Beziehungen vertiefen. Als ein Beispiel sei nur Leben und Werk von Carl Sternheim (im Roman Theophil Marder) und Pamela Wedekind (im Roman) Nicoletta von Niebuhr genannt. Sie waren nicht nur im wirklichen Leben verheiratet. Auch im Roman heiraten die beiden…

Mann nahm an dem Manuskript in der Zeit des Vorabdrucks im „Pariser Tageblatt“, viele Korrekturen vor.

Das Buch erschien – ohne homosexuelle Bezüge – erst im Oktober 1936 im Amsterdamer Querido-Verlag. Anfang Dezember waren bereits 1200 Exemplare verkauft.

Es äußerten sich mit Kritiken Johannes R. Becher, Stefan Zweig, Kurt Hiller, seine Bekannten und Verwandten sowie seine Mutter Katia und sein Vater Thomas. Mit Rezensionen in der Exilpresse äußerten sich Hermann Kesten, Hugo Huppert, Ludwig Marcuse, Balder Olden, der meinte, das Buch werde in Deutschland „verboten und verschlungen“ werden. Auch Gottfried Benn, der sich selbst in der Person Benjamin Pelz erkannte, äußerte sich folgendermaßen zum „Mephisto“: „Geistig sehr schwach, sachlich abgestanden, kritisch unergiebig.“.

Gründgens erhielt mehrere Freiexemplare. Seiner Behauptung, er habe das Buch nie gelesen, wird von seinem Mitarbeiter mit der Wahrnehmung widersprochen, Gründgens habe den „Mephisto“ fast auswendig gekannt.

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