24. März 2021
Klaus Mann: „Mephisto“. Roman einer Karriere – Teil 2
„Ein kaltes und böses Buch“
Von Dr. Dirk Krüger
Sehen wir uns den Roman näher an, dann werden drei große Zeit- und Handlungsabschnitte und die antifaschistische Stoßrichtung des Romans sichtbar….
Vorspiel
Eröffnet wird der Roman mit einem „Vorspiel“. Darin stellt der Autor zu Beginn den Hinweisen auf die Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse von Ende 1935 und den niedrigen Löhnen der Arbeiter bei steigenden Preisen, den „großen Ball zum dreiundvierzigsten Geburtstag des Ministerpräsidenten in allen Räumen des Opernhauses“ gegenüber. Es sind „schön geputzte“ Menschen versammelt, die „in diesem Lande etwas gelten wollen.“ Niemand in dieser Ansammlung der herrschenden Klasse fehlt – „außer dem Diktator“ und „plebejische Parteiprominente“, die natürlich nicht eingeladen waren.
Man staunt und tuschelt darüber „was der Dicke sich leisten“ kann. Die Frau des „Gewaltigen“, Lotte, eine Provinzschauspielerin, eine „herzensgute schlichte, urdeutsche“ Frau, die sich gelegentlich bei ihrem Gatten für Juden aus der guten Gesellschaft eingesetzt habe, die aber trotzdem im Konzentrationslager landeten, trage ein Kleid, das „dreitausend Mark“ gekostet habe. Und ihr „Märchenprinz“ habe am Hochzeitstag „zwei Proleten“ hinrichten lassen.
Man tanzt, schwatzt, flirtet, lacht. Auf einer Tombola ist ein „Hakenkreuz aus Brillanten“ zu gewinnen. Es gibt auch nachgebildete Tanks und Maschinengewehre aus Lübecker Marzipan.
Mit gedämpften Stimmen spricht man über die politischen Hintergründe – die Abwesenheit des „Diktators“ und weiterer Parteiprominenzen.
Da erscheint überraschend, „seinen Klumpfuß graziös hinter sich herziehend“, der „Propagandaminister“. „Einige Sekunden lang ist die ganze Gesellschaft von zweitausend Sklaven, Mitläufern, Betrügern, Betrogenen und Narren wie gelähmt von Entsetzen.“
Unter brausendem Beifall treten nun der „Fliegergeneral und seine Gattin, Lotte Lindenthal“, durch die große Mitteltür ein. Kein Kaiser hatte jemals schöneren Einzug gehalten. Keiner der feinen Gäste kann sich den überschäumenden Begeisterungsgesten für den „Speck- und Fleisch-Riesen“ entziehen. Die Beiden machen vor Höfgen und dem „agilen aber krüppelhaften Reklamezwerg“ halt, der Fliegergeneral klopft Höfgen krachend auf die Schulter und ruft: „Na, wie geht’s, Mephisto?“
Nach einem Lob für seinen „Hamlet“ von Lotte und vom „Reklamezwerg“, ergreift Höfgen das Wort zu einer langen, pathetischen und platten Glückwunschrede für das Geburtstagskind. Alle bewundern ihn. „Er gehört zur Macht.“
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Dem Vorspiel folgt in mehreren Kapiteln die Schilderung des Aufstiegs des Schauspielers Hendrik Höfgen zum Intendanten des preußischen Staatstheaters.
Heinz Höfgen kommt aus einfachen familiären Verhältnissen in Köln. Seine schauspielerische Laufbahn beginnt während des Krieges, 1917, als er „auf dem Klosett“, auf einem Stück Zeitungspapier eine Annonce findet, in der für ein Fronttheater im belgischen besetzten Gebiet junge Schauspieler gesucht werden.
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Kapitel I.
H.K.
Sein erstes Engagement, in den Jahren vor dem 30. Januar 1933, absolviert er am Künstlertheater in Hamburg.
Das wahre Leben spielt sich in der „Theaterkantine, kurz H.K. genannt“ ab. Es ist das alltägliche Gerede um den Theateralltag, um Banalitäten, Gerüchten, Meinungen, Gefühlen, Neid und positive oder abwertende Beurteilungen, das sich im H.K. abspielt und von Klaus Mann gewürzt wird mit teilweise sarkastisch-satirischen Charakterisierungen der beteiligten „alten Theaterhasen“. Aber die „kommunistischen Bühnenarbeiter“ verkehren nicht im H.K., sondern in einer „Kneipe gegenüber“.
Der erste politische Konflikt entsteht als der junge Schauspieler Hans Miklas laut in das Geplappert ruft: „Die Diva Dora Martin aus Berlin ist eine Jüdin!“
In der anschließenden Diskussion taucht die Frage auf, ob Miklas ein „Antisemit“ sei, mit den „Nationalsozialisten zu tun“ habe und das Künstlertheater von ihm und seinen Freunden als „marxistisch“ und „verjudet“ bezeichnet würde.
Um das Thema zu wechseln oder um auf das einzige Thema zu kommen, das ihn wirklich interessiert, beginnt Schauspieler Otto Ulrichs, der dem Widerstand angehört, mit Höfgen über das „Revolutionären Theater“ zu sprechen.
Ulrichs, für den die Bühne zunächst und vor allem ein politisches Instrument bedeutet, hängt mit zäher Leidenschaft an diesem Projekt. Das Stück, das man für die Eröffnungsvorstellung ausgesucht habe, eigne sich glänzend, …er habe es noch einmal genau durchgearbeitet…man interessieren sich in der Partei sehr ernsthaft für die Sache. Die von der Theaterleitung vorgebrachten „kleinbürgerlichen Bedenken“ werden von Höfgen „väterlich herablassend“ vom Tisch gewischt.
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Kapitel II.
Die Tanzstunde
Es geht in diesem Kapitel um Höfgens Beziehung zur „Schwarzen Venus“ oder „Königin Tebab“, oder „Prinzessin Tabea“ oder einfach „Negerin“.
Die Frau in seinem Zimmer nennt ihn „Heinz“. Nur sie, Juliette, darf es wagen, ihn so zu nennen. Bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr nannten ihn alle Heinz, denn das war sein Taufname. Als Schauspieler legte er sich den Namen Hendrik zu.
Höfgen hat die Bekanntschaft seiner „Schwarzen Venus“ in einer Hafen-Kneipe gemacht. Ihre Markenzeichen sind grüne Schaftstiefel aus geschmeidigem Lackleder und ein graues Pelzjäckchen. Das eleganteste Stück ihrer Ausstattung ist aber die Reitpeitsche – ein Geschenk Hendriks. Sie ist leuchtend rot, aus geflochtenem Leder.
Das dunkle Mädchen ist die „Lehrerin“ – also die Herrin; vor ihr steht der bleiche Höfgen als der „Schüler“ – als der Gehorchende, Sich-Erniedrigende, der die häufige Strafe mit der gleichen Demut empfängt wie das seltene, karge Lob.
Die Peitsche pfeifft in den masochistischen Spielen grausam quer über seinen Körper. Höfgen beginnt dann nach ihren Befehlen allein zu tanzen. Sie treibt ihn an. Er tanzt eine halbe Stunde. Es kommt fast zum Zusammenbruch. Er nennt sie „Geliebte“ – sie nennt ihn „mein Schweinchen“. Er keucht: „Ich werde dich immer lieben. Du bist stark. Du bist rein. Nie wieder finde ich eine Frau wie dich. Du bist die Frau meines Lebens, Prinzessin Tebab.
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Kapitel III.
Knorke
Höfgen arbeitet sechzehn Stunden am Tag und hat jede Woche einen Nervenzusammenbruch.
Hans Miklas schimpft mit seinen politischen Freunden weiter auf Marxisten, Juden und Judenknechte.
Otto Ulrichs ist unzufrieden, dass die Eröffnung des revolutionären Theaters von Höfgen immer wieder hinausgeschoben wird. Auf entsprechende Fragen vertröstet ihn Höfgen mit Floskeln über die Verwerflichkeit des Kapitalismus, vom Theater als politischem Instrument, von der Notwendigkeit einer kraftvollen, durchgearbeiteten, künstlerisch-politischen Aktion, , geißelt die moralische Verkommenheit der Bourgeoisie und preist die internationale Solidarität des Proletariats.
In diese Situation platzt Theophil Marders Komödie „Knorke“.
Sie gehört in einen Zyklus von satirischen Stücken, die das deutsche Bürgertum unter Wilhelm II. schildern und verhöhnen. Höfgen übernimmt die männliche Hauptrolle. Zu seiner Partnerin wird Nicoletta von Niebuhr erkoren.
Marder lädt Höfgen, Barbara und Nicoletta nach der außerordentlich erfolgreichen Vorstellung zum Abendessen in ein feines Restaurant ein. Barbara, die Tochter des Geheimrats Bruckner und engste Freundin von Nicoletta erregt Hendriks Aufmerksamkeit – er wendet sich ihr zu.
Ihm waren schon viele Frauen begegnet, aber noch keine wie diese. Er denkt: „Barbara wird mein guter Engel sein.“ Pathetisch deklamiert er ihr seine Gesinnung vor, verkündet seine Hoffnung auf die Weltrevolution und die Sendungen des Revolutionären Theaters. Nicoletta drängt Höfgen zur Heirat mit Barbara wovon er sich auch Vorteile erhofft. Heulend macht er ihr einen Heiratsantrag, den sie mit den Worten annimmt„ „Wenn du es so gerne willst, Hendrik…Wir können es ja versuchen…Wir können es ja versuchen…“
Das war die Verlobung.
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Das Kapitel IV.
Barbara
Hendrik drängt: die Hochzeit sollt noch im Sommer stattfinden. Barbara stellt sich immer wieder die Frage: Soll sie diesem „vieldeutigen und gewandten, höchst begabten, manchmal rührenden, zuweilen beinah abstoßenden Menschen“ – soll sie diesem Komödianten Hendrik Höfgen wirklich das Ja-Wort geben?
Sie statten Barbaras Vater, dem berühmten Geheimrat Bruckner einen Besuch ab und erwarteten dazu auch Höfgens Mutter Bella und seine Schwester Josy. Als Schwiegersohn Höfgen bei dem gemeinsamen Essen dazu übergeht, in „effektvoll studierter Rede“ dem Geheimrat seine Gesinnung auseinanderzusetzen, wobei er für den „ausbeuterischen Zynismus“ der Bourgeoisie und den frevelhaften Irrsinn des Nationalismus die vernichtendsten Worte findet – antwortet der Geheimrat: „Sie sprechen so verächtlich von den Bourgeoisien. Aber ich bin auch einer. Freilich kein nationalistischer und hoffentlich auch kein ausbeuterischer.“
Höfgen stammelt, es gibt auch „bürgerlich-überbürgerliche Typen“, für die der „kommunistisch gesinnte Mensch“ durchaus Wertschätzung habe und dass das große Erbe der bürgerlichen Revolutionen und des Liberalismus im bolschewistischen Pathos lebendig bleibe.
Der Geheimrat antwortet ihm mit einem Bericht von seinen Eindrücken in der Sowjetunion: „Jeder objektiv Beobachtende muss es feststellen, und wir alle sollten uns an den Gedanken gewöhnen, dass dort drüben eine neue Form des menschlichen Zusammenlebens im Entstehen ist.“
Der Besuch beim Geheimrat, das Auftreten seiner Mutter und seiner Schwester, die prächtige Hochzeit und Hochzeitsfeier und die Begegnung mit der „Generalin“, der Großmutter von Barbara, die schon im Jahre 1900 für das Frauenstimmrecht plädieren durfte und gegen die Todesstrafe war – festigten Hendrik Höfgens Gedanken, die ihn immer schon bewegten: Ich muss hinauskommen aus meinem alten Milieu. Ich muss das alles weit, weit hinter mir lassen.
Das Brautpaar und Nicoletta unternehmen eine Hochzeitsreise, treffen auf den Poeten Marder und besuchen ihn jeden Tag. Nicoletta und Marder kommen sich näher.
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Kapitel V.
Der Ehemann
Alle drei sind zurück in Hamburg. Es herrscht wieder Alltag im Theater, alles dreht sich um Nicoletta. Mit einem Telegramm fordert Marder sie auf, sofort zu ihm zu kommen. Sie will zu ihm und gibt ihre Aufführungen und ihre Karriere auf. Alle versuchen sie umzustimmen… Aber, Nicoletta reist ab, ohne sich von Barbara verabschiedet zu haben. Sie heiratet Marder. Barbaras Dasein in Hamburg, der neue Alltag in der fremden Stadt und an der Seite eines fremden Mannes nehmen sie in Anspruch. “Ich bin betrogen worden“, denkt sie jetzt oft. Es kommt zu einer tiefen Krise in der Beziehung. Er träumt von der „Schwarzen Venus“ und empfindet die „ordinäre Genugtuung des Ehemannes, der seine Frau betrügt und stolz darauf ist, dass sie ihm nicht dahinterkommt.“ Schon in der zweiten Woche nach ihrer Rückkehr hat Hendrik die „Schwarze Venus“ wiedergetroffen. In der Dachkammer „begannen erneut wieder die makabren Exerzitien“ – zweimal in der Woche. Dabei schüttet er ihr sein Herz aus und spricht dabei verächtlich über seine Frau. Ihr Leben konnte unterschiedlicher nicht sein.
Barbara sucht das Gespräch mit Hans Miklas. Der gibt weiter Naziparolen von sich. Er glaubt deren Lügen und Versprechungen. Barbara versucht ihn umzustimmen, macht ihn auf seinen Irrweg erfolglos aufmerksam. Als Höfgen von den Gesprächen zwischen Miklas und Barbara hört, kommt es zu einer der heftigsten Auseinandersetzung zwischen ihnen. Höfgen verbietet seiner Frau diktatorisch noch ein einziges Wort mit Miklas zu reden!
Dem folgt ein heftiger Zusammenstoß zwischen Höfgen und Miklas. Als Höfgen auf die Frage, wer spielt in dem Theaterstück die weibliche Hauptrolle antwortet: “Eine blöde Kuh. Sie heißt Lotte Lindental.“, rastet Miklas aus. Er droht und weist darauf hin, dass sie die Gattin des großen Naziführers, des Fliegergenerals sei. Die dürfe man nicht derart beleidigen. Höfgen fordert daraufhin bei der Theaterleitung ultimativ die Entlassung von Miklas. Wenn das nicht geschehe, werde er das Theater verlassen. Ein Schlichtungsversuch von Otto Ulrichs scheitert. Die Theaterleitung knickt schließlich ein. Mit zwei Monatsgehältern wird Miklas entlassen. „Miklas flog.“
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Kapitel VI.
…es ist doch nicht zu schildern…
Die Klage des Hendrik Höfgen: In der Berliner Theaterwelt feiert man Triumphe. Und ich sitze hier in der Provinz. Die Hauptstadt kommt ohne mich aus! Meinen Namen kennt man nicht in Berlin. Die Sucht nach dem Ruhm nagte an ihm, wie ein physischer Schmerz. Aber zunächst gastiert er in Wien. Nach dem kurzen Zwischenaufenthalt kann er mit seinen Berliner Freunden und Unterstützern einen „schönen Anfang seiner Berliner Karriere“ feiern. Die Kollegen munkeln: „Aus dem kann was werden!““ Und Klaus Mann ergänzt: „Aus dem wird etwas: es ist bald soweit.“
Und die Prognose bestätigt sich. Sein erstes Theaterstück wird ein „russisches Stück“ in dem er „einen betrunkenen jungen Bauern“ spielt.
Das Berliner Publikum und die Presse sind begeistert. Es sei etwas „Bachantisches in diesem Menschen“.
Den absoluten Durchbruch erreicht er mit seiner Rolle in dem zweiten Theaterstück, dem „erregenden Drama Die Schuld“. Alle überschlagen sich vor Begeisterung – nur der Professor nimmt „diesen Höfgen“ noch immer nicht ernst.
Aber, am Ende seiner ersten Spielzeit in Berlin kann er zufrieden sein. Das wirkt sich positiv aus auf seinen Vertrag für die Spielzeit 1929/30.
In diesem Sommer filmt er zum ersten Mal – in einem Kriminalfilm.
Auch hier reagieren alle begeistert, er wird mit weiteren Filmangeboten überhäuft, er ist der Umworbene beim Film und beim Theater.
Für Höfgen ist klar: Dieses ist die Karriere! Der große Traum hat sich in Wirklichkeit verwandelt. Er wird von allen umschmeichelt und kann nach Gutdünken alles Wichtige entscheiden. Seine Frau Barbara hat sich fast ganz von ihm zurückgezogen. Auch ihr Vater, Geheimrat Bruckner meidet Berlin. Nur einmal kommt er noch für eine große kulturpolitische und tagespolitische Rede zu halten: „Die drohende Barbarei“. Mit ihr will der Geheimrat den geistigen Teil des Bürgertums noch einmal – zum letzten Mal – warnen vor dem, was heraufkommt und was Verfinsterung und Rückschlag bedeutet, während es sich selber frech „Erwachen“ und „nationale Revolution“ zu nennen wagt.
Klaus Mann schreibt: „Der Geheimrat Bruckner entzieht sich einer Gesellschaft – in welcher Hendrik Höfgen Triumphe feiert.“
Höfgen bekommt Briefe von seiner „schwarzen Königstochter“ aus Hamburg, schickt seiner „Prinzessin Tebab“ das Reisegeld, sie trifft in Berlin ein. Höfgen mietet ihr ein Zimmer und besucht die wöchentlich mindestens einmal für ihre masochistischen Spiele. Sie, die „einem großen Affen zum Verwechseln ähnlich“ aussieht, erpresst ihn mit der Drohung, ihn im Theater aufzusuchen. Er erneuert und bekräftigt dem „Urwaldmädchen“ seine erregten Liebesschwüre und vergnügt sich danach in den Salons der „verkommenen“ Berliner Gesellschaft, die von Höfgens „lasterhaften Zug um den Mund“ und den „herrlich blasierten Augen“ schwärmt.
Er macht die Bekanntschaft des Journalisten Müller-Andreä und des „berühmten französischen Schriftstellers“ Pierre Larue, die ihn lange begleiten werden.
Klaus Mann schildert dann die vorfaschistische gesellschaftliche Situation außerordentlich realistisch in Frageform und fügt die Frage an: „Fällt es denn dem Schauspieler Höfgen nicht auf, dass die Veranstaltungen, deren fragwürdiger Held er ist, im Grund makabren Charakters sind, und dass der Tanz, zu dessen beliebtesten Anführern er gehört ´, die grausige Tendenz zum Abgrund hat? Hendrik Höfgen …sieht nichts, hört nichts, merkt nichts.“ Mann fügt dem eine scharfe Abrechnung mit dem armseligen alltäglichen Leben des Schauspielers hinzu. Er weitet die Abrechnung aus auf seine schauspielerischen Auftritte. Dennoch muss Mann erkennen: „Er ist der Liebling der links-bürgerlichen und linken Blätter – wie er der Favorit der großen jüdischen Salons ist, und bleibt. Gerade der Umstand, dass er kein Jude ist, lässt ihn diesen Kreisen besonders schätzenswert erscheinen.“ Die Rechten lehnen ihn ab, sie sehen in ihm einen „Kulturbolschewisten“. Höfgen hat seine Beziehungen zu kommunistischen oder halbkommunistischen Kreisen keineswegs aufgegeben, denen er seinen unversöhnlichen Hass gegen den Kapitalismus und seine glühende Hoffnung auf die Weltrevolution versichert.
Halt und Unterstützung bietet ihm die weiterbestehende Freundschaft mit Otto Ulrichs, der ebenfalls sein Engagement in Hamburg aufgegeben hat und in Berlin das politische Kabarett „Der Sturmvogel“ leitet, sowie dessen antifaschistische Einschätzungen und Taten. Höfgen nimmt im „Sturmvogel“ an einer Veranstaltung mit russischen Autoren Teil und springt mit den Worten auf die Bühne: „Nichts von Berühmtheit, nichts von Staatstheater! Ich bin euer Genosse Höfgen!“ Und er spendet an eine „gewisse Organisation der Kommunistischen Partei“.
Klaus Mann wirft aber auch an dieser Stelle wieder viele Fragen zu Höfgen auf: „Was weiß Hendrik überhaupt von Menschen? – und meint seine Frau Barbara, seine Mutter Bella, Nicoletta Marder, Otto Ulrichs, Hans Miklas und seine Geliebte Juliette?“ Hendrik weiß nichts davon.
Aber er weiß, dass er in der Saison 1932/33 den Mephisto in der neuen Faust-Inszenierung spielen wird. Für keine andere Rolle hat er jemals so viel Eifer aufgebracht. Es soll sein Meisterstück werden. Die Premiere endet mit Ovationen und der Verabschiedung von Dora Martin, die Deutschland verlässt und ins Exil in die USA gehen wird.
Kapitel VII.
Der Pakt mit dem Teufel
Es beginnt ein zeitlicher Sprung. Der Faschismus hat Ende Januar 1933 die Macht übertragen bekommen.
So eröffnet Klaus Mann seine Anklage gegen den Faschismus: „Wehe, der Himmel über diesem Lande ist finster geworden…ein Strom von Blut und Tränen ergießt sich durch die Straßen aller seiner Städte.“
Höfgen war in Spanien in der Nähe von Madrid zu Außenaufnahmen für einen neuen Film. Im Hotel kauft er sich Zeitungen um sich zu informieren. Unsicherheit und Angst ergreifen ihn. Er erinnert sich, dass er die Aufführung aller Stücke des Blut- und Bodendichters Cäsar von Munck verhindert hat, den Rauswurf von Klaus Miklas wegen einer Bagatelle durchsetzte und sein Auftritt im „Sturmvogel…Werden sie sich jetzt an mir rächen? Nach einer halben Flasche Champagner beruhigt er sich – glaubt an den erfolgreichen Widerstand der Sozialdemokraten und Kommunisten und dass der Versuch, das deutsche Volk dem Faschismus auszuliefern nur enden könne mit der sozialistischen Revolution.
Außerdem könne ihm nichts passieren, denn er, wie die ganze Familie, waren „blonde Rheinländer“, er gehörte keiner Partei an und war auch kein Jude. Das erschien ihm besonders tröstlich und bedeutungsvoll. Dennoch erreichen ihn keine guten Nachrichten aus Berlin. Er entscheidet sich, zunächst nicht nach Berlin zurückzukehren, sondern einen längeren Aufenthalt in Paris einzulegen. Die erste Nachricht, die ihn in Paris erreicht ist die vom Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 und die anschließende Verbots- und Verhaftungswelle, der auch sein Freund Otto Ulrichs zum Opfer fällt. Man drängt ihn, nicht nach Berlin zurückzukehren.
Von Tag zu Tag verschiebt er seine Rückreise nach Berlin. Es sind bittere Wochen. Es bedrängt ihn die Frage, ob er auch ein Emigrant werden soll…Plötzlich erwacht seine Sehnsucht nach seiner Frau Barbara. Er weiß aber nicht, wo sie sich befindet. Und dann steigt seine Sehnsucht nach seiner „Schwarzen Venus“ seiner „Prinzessin Tebab“ mit ihren grünen Stiefeln und der roten, geflochtenen Peitsche.
In dieser Situation mit den wildesten Träumen zu einer gemeinsamen Zukunft erreicht Höfgen ein Brief von der „kleinen Angelika Siebert“. Darin schildert sie ausgiebig ihre Begegnungen mit Frau Lindenthal, der Lebensgefährtin des Ministerpräsidenten. Sie versichert Höfgen eine gefahrlose Rückkehr nach Berlin, weil sie mit ihm in einem Theaterstück auftreten wolle. Der „Mächtige“ habe ihr versichert: „Der Bursche soll kommen. Er ist kein Jude. Ihm geschieht nichts, was er auch früher angestellt haben mag.“
So endere die trübe Leidenszeit in Paris. Auf dem Gang zum Bahnhof kommt er am Café du Dome vorbei und erkennt, an einem Tisch sitzend Hedda von Herzfelde, seine Frau Barbara, ein ihm unbekanntes Mädchen und zwei junge Männer von denen einer Sebastian ist. Er verzichtet auf eine Begegnung mit ihnen, eilt zum Bahnhof und erreicht im Schlafwagen Berlin.
Sofort beginnen die Proben zum Stück „Das Herz“ mit Lotte Lindenthal. Anschließend bringt er sie mit seinem Auto nach Hause. Er macht ihr Komplimente zieht über Dora Martin her. Die Verabschiedung läuft mit Handkuss und Abschiedswink genauso wie er es gewünscht hat. Er spürt einen „Glücksschauer“, denn ihm war klar, ohne die Protektion der Lindenthal ist er verloren. Er hat viele Feinde. Der Blut-und Bodendichter Cäsar von Muck, den der Propagandaminister zum Intendanten des Staatstheaters gemacht hatte, empfängt ihn mit den Worten: „Hier herrscht nun ein anderer Geist als der, den sie in diesem Haus gewöhnt waren. Mit dem Kulturbolschewismus ist Schluss.“ Höfgen beherrscht danach nur ein Gedanke: „Lotte Lindenthal muss mich lieben! Lotte soll erobert werden wie eine Festung!“
Hilfe für Opfer des Faschismus lehnt er mit dem Argument ab, er sei selber in Gefahr. Die Verhaftung und extreme Folterung seines Freundes, des „kommunistischen Schauspielers und Agitators“, Otto Ulrichs, nach dem Reichstagsbrand im Columbiahaus, nennt er zwar „scheußlich“, tut aber sonst nichts.
Mit Lotte läuft es dagegen immer besser. Ihr Lächeln wurde immer süßer, immer vielversprechender. Dennoch bleibt seine Haltung zu ihr ambivalent. Er hütet sich aber, ihr das offen zu gesrehen. Der Angst vor ihrer eigenen Unzulänglichkeit entgegnet Höfgen mit warmen beruhigenden Worten.
In die Proben platzt die Meldung, dass an Staatstheater erneut der „Faust“ aufgeführt werden soll – mit Cäsar von Muck als Mephisto – langjähriges Mitglied der NSDAP – und mit Einverständnis des Propagandaministers.
Für Höfgen ist das ein Akt der Rache mit tiefgreifenden negativen Auswirkungen für ihn. Er wendet sich hilfesuchend an Lotte Lindenthal. Sie verspricht ihm, noch heute mit ihrem Liebhaber, dem Fliegergeneral und Ministerpräsidenten zu sprechen. Und sie ist erfolgreich. Am nächsten Tag wird Höfgen zur „Arrangierprobe“ für die neue Faust – Einstudierung im Staatstheater eingeladen. „Das war der Sieg! Ich bin gerettet!“
Der „nationale Dichter und Intendant Cäsar von Muck lässt ihn in sein Büro bitten und zeigt sich Höfgen gegenüber als völlig gewandelt. Er hat sich entschlossen, sein Verhalten Höfgen gegenüber mit einem Schlag und total zu ändern – seitdem der Ministerpräsident sich für diesen Schauspieler eingesetzt hatte.
Auf seinem Gang in die Garderobe tritt er auf Hans Miklas. Er ist unsicher, wie er sich verhalten soll. Was ist, wenn er Lotte von dem Vorfall in Hamburg berichtet. Höfgen entscheidet sich für eine hochmütige Variante. Mit einem dummen Spruch geht er einfach an Miklas vorüber, der sich wehmütig an den Rausch in den ersten Monaten der Herrschaft der Nazis und ihres Führers erinnert. Man hatte ihm sogar eine Stellung an der Preußischen Staatsbühne besorgt.
Der Dicke und seine Freundin Lotte besuchen die Premiere der Faust-Aufführung. Nach der Aufführung besucht Höfgen die „hohen Herrschaften“ in ihrer Loge. Nach angeregten Gesprächen erhebt sich der Ministerpräsident „mit all seiner Grö0e und funkelnder Fülle“, und streckt dem Komödianten die Hand hin. Für Lotte ist klar: „Der Schauspieler verführt die Macht“. Für Hendrik ist klar, als er sich tief über die fleischige und behaarte Hand des Mächtigen neigt: „Jetzt habe ich mich beschmutzt. Jetzt habe ich mich verkauft. Jetzt bin ich gezeichnet“.
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Kapitel VIII.
Über Leichen
Die Vorkommnisse in der Loge wurden in den Cafés und Salons eifrig diskutiert und kommentiert. Den Namen Höfgen nannte man nun mit einer „neuen Ehrfurcht“.
„Auf ihn war ein Schimmer von den ungeheuren Glanz gefallen, der die Macht umgibt.“
Klaus Mann fügt danach eine bissig-satirische, aber auch realistische Charakterisierung des „dicken Fliegergenerals“, des lügenden „Reklamechefs“ und ihres „Führers“ hinzu. Das allein lohnt schon, den Roman zu lesen, denn es wird darin von Klaus Mann bereits in der ersten Hälfte des Jahres 1936 die Gefahr eines Krieges erkannt und der verbrecherische Charakter des Faschismus benannt.
Höfgens freundlich-unterwürfiges Treffen mit der „Macht“ war und blieb die Sensation und Höfgen ist „hysterisch vor Glück“, denn der Ministerpräsident hat ihn zu einem „intimen Abendessen ins Palais gebeten“.
Das ist Hendrik Hüfgens dritter Aufstieg.
Der erste war der solideste und der verdienteste, denn in Hamburg hatte Hendrik gute Arbeit geleistet, das Publikum musste ihm für manchen schönen Abend dankbar sein.
Die zweite Etappe, im Berlin der „Systemzeit“, hatte schon ein fiebriges übertriebenes Tempo und viele Zeichen des hektisch Ungesunden gehabt.
Diese dritte Etappe aber hat den „Charakter einer Beförderung“, sie kam „schlagartig“ wie alle Aktionen, die von der nationalsozialistischen Regierung ausgingen. Vor kurzem war Hendrik Höfgen in Paris noch „eine Art Emigrant“ gewesen; gestern noch eine „halbverdächtige Figur“ und buchstäblich über Nacht war er zum „großen Mann“ avanciert: „ein Wink des dicken Ministers hatte dies zuwege gebracht“.
Höffgen sinniert: „Wie glücklich sich alles fügte, ich bin ein „Glückskind“, zu mir hätte ein Leben als Emigrant in Paris „nicht gepasst“. Er trifft wieder auf Müller-Andreä, Pierre Larue und Doktor Radig und erlebt ein völlig neues Verhalten ihm gegenüber und ihr offenes Bekenntnis zum Nationalsozialismus, das natürlich mit materiellen Donationen erkauft wurde. Sie haben jeglichen Scham und jegliche Skrupel aufgegeben.
Die Beziehungen zwischen Höfgen und Lotte Lindenthal gewinnen durch viele Besuche „in ihrem schönen Heim am Tiergarten“ und „trauten Abendstunden“ an „menschlicher Wärme“. Eines abends entscheidet sich Höfgen, völlig offen zu werden und von seiner „schlimmen Vergangenheit“ zu sprechen. Der „Gewaltige“ nimmt die „Beichte“ gnädig auf, denn er hat alles bereits gewusst und bemerkt: „Jeder kann sich mal in was Blödes verrennen. Es waren eben schlechte, unordentliche Zeiten.“
Höfgen erweitert seine „Beichte“ mit den Sätzen: „Herr Ministerpräsident – ich bitte für Otto Ulrichs. Man hat schon gesagt, er sei tot. Aber er lebt. Und er verdient es, in der Freiheit zu leben.“ Der Ministerpräsident knurrt: „Meinen sie den Leiter des kommunistischen Kabaretts ‚Der Sturmvogel‘? Aber das ist doch „ein übler Kerl.“
Hendrik widerspricht und wird von Lotte unterstützt. So gelingt die Freilassung von Otto Ulrichs verbunden mit einem kleinen Engagement als Schauspieler am Staatstheater. Der aber lehnte es ab, die „Gnade der Mörder“ anzunehmen. Mit viel Energie und Argumenten gelingt es Höfgen Ulrichs umzustimmen. „ich habe einen Menschen gerettet“, denkt er stolz und beruhigt damit sein Gewissen.
Aber es bedrückt ihn eine andere Sorge. Wenn seine Feinde herausbekommen, dass er „mit einer Negerin ein Verhältnis hat“ und sich obendrein „von ihr hauen lässt“, dann ist er verloren. Eine Schwarze – das war mindestens ebenso arg wie eine Jüdin. Es war ganz genau das, was man jetzt als „Rassenschande“ bezeichnet. Er muss sie loswerden!
Er drängt sie, nach Paris zu gehen und verspricht ihr eine kleine finanzielle Hilfe. Sie lehnt ab. Es kommt zu einem lauten heftigen Streit zwischen ihnen. In den nächsten Tagen versucht sie erfolglos mit ihm in Kontakt zu kommen und entschließt sich, ihn im Theater aufzusuchen. Er flieht vor ihr, sie ruft ihm nach: „Ich komme jeden Abend!“
In dieser sehr gefährlichen Situation wendet sich Höfgen an seinen dicken Gönner und bittet ihn um Hilfe. Der reagiert erstaunlich verständnisvoll und konkret: „Ein Negerweib fuchtelt mit der Peitsche vor dem Staatstheater herum! Das ist ja eine schöne Geschichte! Ja, was machen wir da? Das Mädel muss weg, soviel ist sicher. Lassen sie mich nur machen.“
Noch am selben Tag wird sie verhaftet und sperrt sie in eine halbdunkle Zelle. Hendrik bedient sich der unbarmherzigen Macht, um sie, ein schutzloses Mädchen, aus dem Weg zu räumen. Dann besucht er sie und verspricht, dass sie frei sei und sofort nach Paris abreisen dürfe. Es sei alles geregelt: Visum. Gepäck, finanzielle Hilfen jeden Monatsersten. Das sei aber an eine Bedingung geknüpft: „Du musst schweigen!“. Sie nickt zustimmend.
Damit war Juliette aus seinem Leben verschwunden. Und auch Barbara war aus seinem Leben verschwunden.
Beiden hatte er geschworen, sie ewig zu lieben.
Aus seinem Leben nicht verschwunden ist ein völlig veränderter Klaus Miklas. Niemals, auch nicht in der Hamburger Zeit, hatte er so böse und so schrecklich geschimpft. Damals waren doch noch Hoffnungen und ein großer fester Glaube an den „Führer“, an den Nationalsozialismus in seinem Leben bestimmend. Jetzt hört man ihn sagen: „Es ist alles Scheße. Wir sind betrogen worden…Der Führer wollte die Macht, sonst gar nichts…Was hat sich denn in Deutschland gebessert, seitdem er sie hat?…Die reichen Leute sind nur noch ärger geworden…Jetzt reden sie patriotischen Quatsch, während sie ihre Geschäfte machen – das ist der einzige Unterschied…Ein alter Kulturbolschewist ist aber, wie der Höfgen, der über Leichen geht, ist wieder die große Nummer…“
Sein Zorn und seine Enttäuschung über die wirkliche Entwicklung im Faschismus, über die vielen Ungerechtigkeiten lassen ihn unvorsichtig werden. Er erkennt nicht die großen Gefahren, die auf ihn lauern, wenn er offen seine Kritik äußert. Er wird – ohne Erfolg – gewarnt und verwarnt.
Die kleine Angelika klagt: „Du bist verloren, armer junger Hans Miklas!…Du wagst es, dich gegen Mächte und Personen aufzulehnen…Aber du bist schwach, junger Miklas, und du hast keinen Beschützer…Die Macht, die du geliebt hast, ist grausam. Sie duldet keine Kritik, und wer sich auflehnt, der wird zerschmettert. Weint denn niemand über deinen Sturz, über dies Ende einer so großen, so glühenden und so bitter betrogenen Hoffnung? Wer sollte denn weinen? Du warst beinah immer allein.“
Denn kamen zwei alte Kameraden zu ihm. Sie forderten ihn auf, sie in ein Auto zu begleiten. Sie fuhren mit ihm in ein Waldstück. Es war kalt, aber keiner seiner alten Kameraden gab ihm einen wärmenden Mantel. Sie forderten ihn zu einem Spaziergang auf und sahen nur seinen Rücken, nicht den unsagbar hochmütigen Ausdruck seines Gesichtes. Dann krachte der Schuss…
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Kapitel IX.
In vielen Städten
Das Jahr 1933 – für den Schauspieler Höfgen ein erfreuliches, glänzendes Jahr – war vorüber. Zuversichtlich und in bester Laune kann Hendrik das Jahr 1934 beginnen. Er ist der Huld der Mächtigen sicher. Auf die Gnade des Ministerpräsidenten kann er sich verlassen. Höfgen darf viele und schöne Rollen spielen. Er darf filmen und verdient viel Geld.
Hendrik wird umworben von Schmeicheleien und hat zahlreiche Freunde. Darunter ist auch der Dichter Benjamin Pelz, der in einer intimen Unterhaltung erklärt, dass er den Nationalsozialismus liebe, was er mit einem aggressiven und Angst machenden Wortschwall begründet. Fast visionär sind seine Aussagen zur Zukunft des Faschismus.
Höfgen nimmt den Wortschwall mit seinem „aasigen“ (dieser Ausdruck zieht sich durch den ganzen Roman) Lächeln entgegen.
Das sind seine Freunde. Wo aber sind die, die früher seine Freunde waren?
Barbara hat ihm aus Paris geschrieben, dass sie sich scheiden lassen will. Sie hat „über dreißig Prozent schlechtes Blut in ihren Adern und ist auch noch seit Februar 1933 eine Emigrantin“. Das genügt als Scheidungsgrund. Denn blonde Rheinländer, wie Höfgen einer ist, haben „Anspruch auf ein tadelloses reinrassiges Eheweib“.
Ihr “Freund Sebastian“ hilft bei der Produktion und Distribution einer Zeitschrift und erkennt: „Das Gesetz des Kampfes fordert von uns, dass wir auf tausend Nuancen verzichten und uns ganz auf eine Sache konzentrieren. Meine Aufgabe ist es jetzt nicht, zu erkennen oder Schönes zu formen, sondern zu wirken – soweit das in meinem Kräften steht. Es ist ein Opfer, welches ich bringe – das schwerste.“
Klaus Mann beschreibt dann sehr ausführlich die intensive Arbeit von Barbara und den Aufenthalt ihres Vaters, dem Geheimrat Bruckner in der Emigration in einem kleinen südfranzösischen Ort am Mittelmeer und seinen Begegnungen mit dem extremen Niedergang des Dichters Theophil Marder und seiner Frau Nicoletta, die nach einem Anfall Marders schluchzte: „Ich kann nicht mehr. Ich muss weg von hier. Ich halte es nicht mehr aus.“
Mann schildert dann interessante Einblicke in das Leben von Menschen, die Höfgen seine Freunde nennt.
Da ist der „Professor“, unterwegs mit Inszenierungen in zahlreichen Ländern und Städten, a sind dessen Angestellte an den Wiener Theatern, Fräulein „Rose“ Bernhard und Herrn Katz, da ist Dora Martin, die jüdische Schauspielerin, die man aus Berlin vertrieben hatte, an Theatern in London und New York, gepriesen als die „größte Bühnenkünstlerin der Erde“, da ist Oskar H. Kroge, der Vorkämpfer der Literatur, mit seinem Glauben an das „Theater als moralische Anstalt“ und an die „ewigen Ideale der Gerechtigkeit und der Freiheit“ , der in der Emigration in Prag (er ist kein Jude und kein Kommunist) versucht, an die gute Frankfurter und Hamburger Zeit anzuknüpfen. Er findet einen Vorstadtkeller, junge Schauspieler, Geldgeber und ein Stück in dem viel von der „Menschheit“ und von der „Morgenröteeiner besseren Zeit“ die Rede ist. Da ist Juliette Martens, Höfgens „Prinzessin Tebab“ die „Königstochter vom Kongo“ kann in Paris in einem kleinen Kabarett am Montmartre ihren „schönen Körper und ihre kunstvollen Steps“ zeigen. Ihr Herz hängt immer noch an Hendrik Höfgen. Nicoletta taucht eines Tages wieder in Berlin auf, in Hendrik Höfgens Wohnung am Reichskanzlerplatz und begründet, warum sie ihren Mann Theophil Marder verlassen hat.
Höfgen zieht daraufhin ein Fazit: „Diese ganze Emigration ist eine Angelegenheit für Schwächlinge. Diese Leute in ihren südfranzösischen Badeorten kommen sich wie Märtyrer vor, sind aber nur Deserteure. Wir hier stehen an der Front.“
Nicoletta will unbedingt wieder Theater spielen. Zunächst will Hendrik mit ihr in Hamburg gastieren.
Beide sind aber nicht zufrieden mit ihrem Abstecher nach Hamburg.
Lotte Lindenthal überrascht ihn mit der Nachricht, dass ihr „Bräutigam“ unzufrieden sei mit der Arbeit von Cäsar von Munck und als Nachfolger für den Intendanten der Preußischen Staatstheater Hendrik Höfgen ausersehen hat.
Den Protest des Propagandaministers konterte der Fliegergeneral mit den Worten: „Man soll Munck zum Präsidenten der Dichterakademie machen und ihn zunächst auf eine schöne Reise schicken“. Der Streit, in dem sogar der „Führer“ bemüht wurde, endet mit einem Sieg des Ministerpräsidenten. Höfgen zögert, hat Bedenken, erbittet ein vierundzwanzig Stunden dauernde Bedenkzeit, wägt ab – sehr zum Ärger des „Mächtigen“. Nicoletta drängt ihn, das Angebot anzunehmen: Am nächsten Tag stellte Hendrik Höfgen sein Talent, seinen Namen, seine Person ganz und gar der „blutbefleckten Macht“ zur Verfügung.
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Kapitel X.
Die Drohung
Im Theater, wo er nun als hohe Amtsperson handelt, ist er beliebt. Beinah alle Menschen mögen ihn, rühmen seine Leutseligkeit und sind der Ansicht, er sei ein feiner Kerl. Die antifaschistische Opposition schien ihm gegenüber milde gestimmt, denn mit Höfgen sei ein Nicht-Nationalsozialist auf so einem wichtigen Posten. Er habe immerhin Otto Ulrichs aus der Gestapohaft befreit und an die preußische Bühne gebracht. Er habe auf eigene Kosten den Privatsekretär Johannes Lehmann eingestellt, der Jude oder zumindest Halbjude sei. All das wird, so ist Höfgen überzeugt, zu einem Positiv-Posten bei meiner „Rückversicherung“, wenn sich die Machtverhältnisse wieder ändern sollten.
Das Theater ist auch unter Höfgens Leitung garantiert „judenrein“ und der Spielplan natürlich auch. Intendant Höfgen wagt sich also weder an den „Carlos“ noch an die „Räuber“, obwohl er selber gerne sowohl den Marquis Posa als auch den Franz Moor gespielt haben würde. Fast alle modernen Stücke, die bis zum Januar 1933 in den Spielplan einer anspruchsvollen deutschen Bühne gehört hatten, sind wegen „zersetzend kulturbolschewistischen Geistes“ scharf und mit Empörung abgelehnt. Höfgen kann sich nicht erlauben, eines von ihnen zur Aufführung vorzuschlagen. Heraus gekommen aus dem Dilemma ist ein kurioses Stücke-Mischmasch völlig unpolitischer Texte. Aber, die Einnahmen verbesserten sich. Wieder ein Pluspunkt für den neuen Intendanten.
Höfgen hat sich seine Eltern und Schwester Josy aus Köln nach Berlin kommen lassen. Mit ihnen bewohnt er eine große schlossartige Villa im Grunewald. Die Villa gibt dem jungen Intendanten das Relief, den hochherrschaftlichen Hintergrund, den er nun braucht und will. Hier im Grunewald wird er zum Grandseigneur. Geld spielt keine Rolle. Der Schauspieler Höfgen, der früher vom Leben nichts beansprucht hatte als ein reines Hemd und eine Flasche Eau de Cologne auf den Nachttisch, kann sich nun Rennpferde, eine große Dienerschaft und einen ganzen Park von Automobilen leisten. Niemand, oder fast niemand, nimmt Anstoß an dem Pomp, den er entfalten kann.
Die „Grunewald-Villa“ ist das Eigentum des jungen Intendanten; er nennt sie „Hendrik-Hall“ und hat sie einem jüdischen Bankdirektor, der nach London emigrierte, abgekauft. Jetzt ist er „Herr im Hause“, über dessen Schwelle beinah nur noch Menschen kommen, die mit Bewunderung und Ehrfurcht auf ihn blicken.
Hendrik veranstaltet zuweilen gemütliche Abende am Kaminfeuer oder reizende Sonntagbormittage im Garten.
Seine Mutter Bella führt den Haushalt ihres „großen Jungen“ und ist zu einer anerkannten Persönlichkeit der Berliner Gesellschaft geworden.
Der Vater hat sich zum Sonderling entwickelt mit einer Vorliebe für Kursbücher in denen er stundenlang blättert.
Seine Schwester Josy sucht häufig Gelegenheit, sich zu verloben. Nur noch standesgemäße Verbindungen kommen in Frage, junge Herren in SS-Uniformen werden bevorzugt.
Barbara kümmert sich in Paris um die politischen Flüchtlinge und um eine kleine aggressive Revue.
Nicoletta will sich von Marder scheiden lassen. In einem Brief an ihn schreibt sie: „Es macht mich selig, wieder arbeiten zu dürfen. In unserem neuen Deutschland herrscht ein allgemeiner Auftrieb, ein enthusiastischer Wille zur Arbeit, von dem dir, in deiner Einsamkeit, jede Vorstellung fehlt.“
Ihr unrühmlicher Abgang in Hamburg ist vergessen, sie hat „auf den großen Mann Hendrik“ Einfluss. Sie besuchen gemeinsam den Presseball. De Dichter Benjamin Pelz „für den die Diktatur des rassistischen Faschismus eine Art von blutig-phantastischem Sommernachtstraum“ bedeutet, bezeichnet das Paar als „Oberon und Titania“. Pelz formuliert das „neudeutsche Ballgeflüster in seiner feinsten, anspruchsvollsten Form“. Er gehört zu den regelmäßigen Besuchern der Grunewald-Villa „Hendrik-Hall“.
Der Intendant versucht, sein Haus im englischen Stil zu halten. Man genießt ohne Scham die luxuriösen Möglichkeiten, die sich den Hausbewohnern und den Gästen durch den ungeheuren Reichtum des Intendanten bieten.
Höfgen vermeidet jede kritische Äußerung, wenn Gäste da sind, die in
„intimen Beziehungen zur Macht stehen, oder gar selber einen Teil von ihr sind.“ Die äußerste Vorsicht verbindet er mit der „strahlendsten Heiterkeit, wenn Lotte Lindenthal ihm die Ehre ihres Besuches gab“.
Viele Leute treffen sich in „Hendrik-Hall“, angezogen von „dem Ruhm und der Liebenswürdigkeit des Hausherrn“. Es gab aber auch welche, die nicht teilnehmen an dem „heiter-üppigen Treiben“: die „Generalin“, die Großmutter von Barbara, und der Kommunist Otto Ulrichs, der nicht eingeladen wurde. Eine Einladung hätte er ohnehin nicht akzeptiert. Er hatte sein früheres positives Bild von Höfgen revidiert, revidieren müssen. Ulrichs ist im Widerstand! „Das Mitglied der Preußischen Staatstheater“, schreibt Klaus Mann, „beteiligt sich an unterirdischen Aktionen gegen das Regime. Ob es um heimliche Zusammenkünfte, ob es um die Herstellung und Verbreitung verbotener Flugblätter, Zeitungen und Broschüren ging oder um Sabotageakte in den Fabriken, bei den öffentlichen Festlichkeiten der Diktatur, bei Rundfunkübertragungen, Filmvorstellungen: der Schauspieler Otto Ulrichs gehörte zu denen, welche die Vorbereitungen entscheidend beeinflussten und bei den Handlungen ihr Leben riskierten.“ Und Klaus Mann fährt fort: „Er kämpft dafür die Kräfte des Widerstandes zu vereinen, die Opposition zu sammeln, die Front herzustellen, auszubauen, zu aktivieren – die Volksfront gegen die Diktatur zu schaffen.“
„Darauf kommt es an, und nur darauf“, erkannte der Schauspieler Ulbrichs.
Unterdessen sieht sich Höfgen einer regelrechten Gerüchte-Kampagne um die „Schwarze Venus“ und seiner Ex-Frau Barbara in Paris gegenüber. Höfgen beschließt, angesichts der Gefahren, die von solchen Gerüchten erwachsen können, Nicoletta zu heiraten. Er will damit, den „unangenehmen Gerüchten die Spitze abbrechen“. Der Ministerpräsident ist sehr zufrieden mit dieser Entscheidung seines „schlauen Protegées“. Man droht den Gerüchtemachern und kann dann feststellen: „Für den Augenblick ist er unangreifbar.“
Eine Audienz beim „Führer“, bei der „Macht“, beim „Messias aller Germanen“ verläuft gut. Der „Fliegergeneral“ ist zufrieden und „macht Höfgen zum „Staatsrat“, er befördert ihn zum „Senator“. „In allen kulturellen Institutionen des Dritten Reiches hat der Intendant seinen wichtigen Sitz…und gehört auch zum Vorstand des „Kultursenates“.
Der erste „Kameradschaftsabend“ dieser Vereinigung findet in „Hendrik-Hall“ statt. Es ist köstlich wie Klaus Mann den Verlauf schildert!
Die Presse berichtet darüber positiv und ernennt Höfgen zu den aktivsten „Trägern des deutschen Kulturwillens“. Der beteiligt sich auch an den Aktionen der Prominenten für die „Winterhilfe“.
Klaus Mann kommt damit zu einer Art Fazit: „Während der ‚Kultursenat‘ trauliche Kameradschaftsabende veranstaltet; während die Großen des Landes in den Hotelhallen für ihre notleidenden Volksgenossen milde Gaben einkassieren, mit denen man die Propaganda des Dritten Reiches im Ausland finanziert; während Hochzeiten gefeiert, Lieder gesungen und unendlich viele Reden gehalten werden – geht das Regime der totalen, militant-hochkapitalistischen Diktatur seinen schauerlichen Weg weiter, und am Rande des Weges häufen sich die Leichen.“
„Das fürchterliche Triumvirat: der Führer, der Dicke und der Hinkende“ verfestigen unterdessen ihre Entscheidungen „schlagartig!“ zu fassen. Und sie konzentrieren sich nach Klaus Mann auf die Jugend. „Die deutsche Jugend lernt das Wort ‚Pazifist‘ als einen Schimpfnamen; die deutsche Jugend braucht nicht Goethe oder Plato zu lesen, sie lernt schießen, Bomben werfen, sie ergötzen sich bei nächtlichen Geländeübungen; wenn der Führer vom Frieden schwatzt, begreift sie, dass er es nur scherzhaft meint. Diese militärisch organisierte, disziplinierte, gedrillte Jugend kennt nur ein Ziel, hat nur eine Perspektive: den Revanchekrieg, den Eroberungskrieg.“
Zur Ablenkung der Volksmassen werden „ausgedehnte Volksfeste“ organisiert und „Verfolgungen der Juden“ veranstaltet. Man verkündet: „Der Marxismus ist ausgerottet, aber immer noch eine Gefahr und Anlass zu Massenprozessen“, die deutsche Kultur ist ‚judenrein‘, die Butter wird knapp, aber Kanonen sind wichtiger.“
Klaus Mann wendet sich dann dem Schicksal des Widerstandskämpfers Otto Ulrichs zu. Er schreibt:„Wer sich auflehnte gegen das Regime, wusste, was er riskierte. Otto Ulrichs hatte sich sehr weit vorgewagt. Seine politischen Freunde wiesen ihm die schwierigstem und gefährlichsten Aufgaben zu. Er wagte zu viel. Eines Morgens wurde er verhaftet.
Höfgen wusste oder ahnte, was geschehen war und lies sich, als er sicher war, mit dem Palais des Ministerpräsidenten verbinden. Der reagiert sehr abweisend, erinnert an die Zeit im „Sturmvogel“ und gibt Höfgen den Rat, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Höfgen zuckt zurück, er beruhigt sich, will später erneut versuchen, etwas für seinen alten Freund zu erreichen. Dafür will er Lotte Lindenthal gewinnen. Als er sie erreicht und ihr seine Sorgen um Ulrichs schildert, bekommt er zur Antwort: „Wieso denn Sorgen? Er ist doch tot.“ Höfgen fährt sofort zum Palais des Ministerpräsidenten, der ihn in seinem Arbeitszimmer empfängt. Nach einer hitzigen verbalen Auseinandersetzung bestätigt der „Dicke“ den Tot von Otto Ulrichs. „Es scheint sich um einen Selbstmord zu handeln.“ Höfgen ist tief betroffen und zeigt es. Der „Dicke“ reagiert darauf drohend: „Ich habe ihnen schon einmal den guten Rat gegeben, und ich wiederhole ihn jetzt: Lassen sie ihre Finger von dieser Sache! Der Intendant meiner Staatstheater sollte sich nicht gar zu sehr für einen motorischen Hochverräter interessieren.“
Hendrik wurde schwindelig und bittet um die Erlaubnis, sich zurückziehen zu dürfen.
Im Theater wagt keiner, über den Tod von Ulrichs zu sprechen. Dennoch werden Einzelheiten zur Art und Weise seines „Selbstmords“ bekannt. Er wurde nicht hingerichtet, sondern bestialisch gefoltert.. Durch unbarmherzige Folter hat man versucht, die Namen seiner Mitarbeiter und Freunde von ihm zu erpressen. Er aber war standhaft geblieben. In seiner Wohnung wurde absolut gar kein belastendes Material gefunden. Das Opfer starb ihnen beim dritten „Verhör“ unter den Händen. Sein Körper war so zugerichtet, dass seine Mutter ihren Sohn nicht mehr identifizieren konnte. An er Beerdigung durfte niemand teilnehmen. Ein „Unbekannter“ hatte der Mutter Geld für einen Sarg geschickt, selbst kein Priester folgte dem Sarg eines „Selbstmörders. Nur die Mutter betete für ihren Sohn – und schickte das Geld an den Absender nach Berlin zurück. „So wurden Grabstein und Sarg des ermordeten Revolutionärs von der hohen Gage bezahlt, die der Herr Intendant vom nationalsozialistischen Staate bezog.“
Das war das Letzte und Einzige, was Hendrik Höfgen noch für seinen Freund Otto Ulrichs leistete – „es war“, so Klaus Mann, „ die letzte Beleidigung, die er ihm antat.“
Rasch ließ bei Höfgen die Anspannung nach. Der Druck wich von ihm. Es klingt wie eine Entschuldigung: „Mein ganzes Leben und alles was ich gesündigt habe – mein großer Verrat und all meine Schande sind allein zu rechtfertigen durch mein Künstlertum.“
Aber man klagt ihn an: „Du bist nicht vornehm, denn du bist ein Affe der Macht und ein Clpwn zur Zerstreuung der Mörder.“
Abwechslung, Vergessen und Zerstreuung bringen Proben und Aufführungen des „Hamlet“.
Die Kritik war der Ansicht, dass Höfgen „den tragischen Konflikt zwischen Tatbereitschaft und Gedankentiefe, der den deutschen Menschen auf so interessante Weise von allen übrigen Lebewesen unterscheidet, in seiner Hamlet-Darstellung selber spürbar werden ließ.“
Der „Mächtige“ und seine Lotte spendeten „demonstrativen Applaus“.
Das war die Versöhnung des Gewaltigen mit seinem Hofnarren: Mephistopheles-Hendrik empfand es dankbar. Schön und bleich in seinem Hamlet-Kostüm verbeugte er sich tief vor dem hohen Paar.“
„Ich bin wieder in Gnaden aufgenommen“, dachte Hendrik erleichtert, stellt aber in gleichen Atemzug fest: „Das verfluchte Theater, es frisst mich auf. Über ihm versäume ich das Leben.“
Er lässt sich nach der Vorstellung ermüdet in die „Hendrik-Hall“ bringen und verkriecht sich in seinem Arbeitszimmer.
Einem ungebetenen Gast an seinem Fenster, der ihn an Otto Ulrichs Tod erinnert, schreit er nach: „Ich bin überhaupt unentbehrlich!“
„Kein Regime kann ohne mich auskommen!“
„Ich habe sie alle verloren…alle habe ich sie eingebüßt.
Da öffnet sich die Tür und herein kommt Bella, seine Mutter. Er beginnt schrecklich zu weinen. Seine Stirn sinkt in den Schoß der Mutter. Mitleidend versteht sie alles. Sie begreift seine ganze Schuld, sein großes Versagen und die verzweifelt ungenügende Reue.
Klaus Mann beendet den Roman so: „Während sein erschöpftes, tränennasses Antlitz ein wenig nach hinten sank, ruft er, die Arme mit schöner, klagender, hilflos-hilfesuchender Geste gebreitet:
„Was wollen die Menschen von mir? Warum verfolgen sie mich? Weshalb sind sie so hart? Ich bin doch nur ein ganz gewöhnlicher Schauspieler!“
„Alle Personen dieses Buches stellen Typen dar, nicht Porträts.“
K.M.