Geburtstagsveranstaltung für Wolfgang Abendroth (1906-1985)

8. April 2023

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes –
Bund der Antifaschisten und Antifaschistinnen
Kreisvereinigung Wuppertal

Geburtstagsveranstaltung
für Wolfgang Abendroth
(1906-1985)
Dienstag, 2. Mai 2023
19.00 Uhr

Alte Feuerwache, Gathe 6
42107 Wuppertal-Elberfeld
Der Eintritt ist frei.
Wir begrüßen an diesem Abend ganz herzlich:
Elisabeth Abendroth die Tochter von Wolfgang und Lisa Abendroth
Sie wird aus dem Leben der Familie Abendroth und natürlich aus dem wissen-
schaftlichen und politisch kämpferischen Leben ihres Vaters als Widerstandskämp-
fer gegen die Nazis berichten.
Und wir begrüßen
Prof. Dr. Georg Fülberth Marburg,
dessen wissenschaftliches und politisches Leben eng mit der „Marburger Schule“
verbunden ist. Wir haben ihn bereits in zahlreichen Veranstaltungen in Wuppertal
erleben können.
Moderation:
Dirk Krüger (Sprecher der VVN-BdA Kreisvereinigung Wuppertal)

Eine Veranstaltung von VVN-BdA, Landesvereinigung Nordrhein-Westfalen und VVN-BdA Kreisvereinigung Wuppertal.
Sie wird unterstützt von VVN-BdA Kreisvereinigung Düsseldorf, Freidenker Wuppertal e.V., NATURFREUNDE DEUTSCHLANDS, Ortsgruppe Wuppertal e.V., SDAJ Gruppe Wuppertal, SDS Wuppertal, Humanistischer Verband – Gemeinschaft Wuppertal/Bergisches Land
VVN-BdA Wuppertal, c/o Dirk Krüger, Zietenstraße 25, 42281 Wuppertal, Mail: krueger.wtal.de

Eine (unvollständige) biografische Skizze zu
Wolfgang Abendroth
Wir ehren mit der Veranstaltung einen Politischen Wis-
senschaftler, einen Sozialisten, einen Demokraten und
„einflussreichen Außenseiter“. Habermas verlieh ihm
den Titel „Partisanenprofessor im Lande der Mitläufer“
Wolfgang Abendroth wurde am 2. Mai 1906 im damals
noch selbständigen Elberfeld (heute Wuppertal) in der
Parkstraße 22 (seit 1935 umbenannt in Malerstraße)
geboren. Er besuchte nach dem Umzug der Familie nach
Frankfurt am Main das Realgymnasium und studierte
anschließend Rechtswissenschaften in Frankfurt, Tübin-
gen und Münster. Durch das Erlebnis des Ersten Welt-
krieges, der Novemberrevolution, der Ermordung von
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wird Abendroth
früh in der Arbeiterbewegung aktiv. 1920 wird er Mit-
glied im KJVD, etwas später in der KPD und arbeitet in
der „Roten Hilfe“ mit. 1928 wird er wegen Kritik am
„ultralinken“ Kurs und der „Sozialfaschismusthese“ aus
der KPD ausgeschlossen. Er gehörte in der Weimarer
Republik dem linken Flügel der Arbeiterbewegung an.
Den autobiografischen Gesprächen, die 1976 als Buch
erschienen, gab er folgerichtig den Titel „Ein Leben in
der Arbeiterbewegung“.
1933 erhielt er Berufsverbot; 1935 musste er im Aus-
land – in Bern – promovieren. Im Widerstand gegen den
Faschismus setzte er sich vor allem für das Zusammen-
wirken, für die „Einheitsfront“ zwischen SPD und KPD
ein. Im Februar 1937 wurde er von der Gestapo ver-
haftet und brutal gefoltert. Die Folter wirkte noch bis zu
seinem Tode. Wegen „Hochverrats“ verurteilt verbrach-
te er vier Jahre im Zuchthaus Luckau. Ende 1943 wurde
er zum „Strafbataillon 999“ eingezogen und in Griechen-
land eingesetzt. Dort lief er zur griechischen Wider-
standsbewegung ELAS über und wurde am Ende des
Krieges von den Engländern in einem Lager für Kriegsge-
fangene im Ägypten interniert.
Erst 1946 kam er nach Deutschland zurück. Jetzt heira-
tete er Lisa Hörmeyer. Die Familie Abendroth ging zu-
nächst in die SBZ und Wolfgang übernahm eine Profes-
sur für Staatsrecht in Leipzig und Jena.
1948 ging die Familie in den Westen. Abendroth war
1946 der SPD beigetreten und wurde 1949 Gründungs-
rektor der gewerkschaftsnahmen „Hochschule für Ar-
beit, Politik und Wirtschaft“ in Wilhelmshaven. 1954
schrieb er das Buch „Die deutschen Gewerkschaften“.
Mit der Berufung von Wolfgang Abendroth auf einen
Lehrstuhl für „wissenschaftliche Politik“ im Jahre 1951
wurde das Institut für Politikwissenschaft der Universi-
tät Marburg gegründet. Abendroth prägte das wissen-
schaftliche Profil des Marburger Instituts (“Abendroth-
Schule“) weit über seine Emeritierung im Jahre 1972
hinaus.
In dieser Zeit war er wohl der einzige unter den bundes-
deutschen Hochschullehrern, der sich zum Marxismus –
als wissenschaftliche Methode – bekannte. Die „Theorie
eines kritisch erneuerten Marxismus“ begriff er als
„Theorie des sozialistischen und demokratischen Huma-
nismus, wie sie seit Mitte des 19. Jahrhunderts durch Karl
Marx und Friedrich Engels in der Gesellschaft des libera-
len Kapitalismus entwickelt wurde“.
Seit der Gründung der Bundesrepublik hatte er sich
öffentlich gegen die Politik der Remilitarisierung gewandt
und die Gewerkschaften in ihren Auseinandersetzungen
um das Betriebsverfassungsgesetz 1952 unterstützt. Als
Jurist engagierte sich Abendroth in der Arbeiterbewe-
gung, der er nützlich sein könnte. Seit den 50er Jahren
hatte er das KPD-Verbot von 1956 öffentlich kritisiert und
die Kampagnen der außerparlamentarischen Opposition
– vor allem in der Auseinandersetzung um die Notstands-
gesetze, später in der Auseinandersetzung um den soge-
nannten „Radikalenerlass“ – unterstützt. So wurde er –
vor allem von der konservativen Presse – als „Mentor“
bzw. als eine Art „Übervater“ der 68erBewegung stili-
siert.
Als Wissenschaftler war Abendroth sehr streng. Er be-
stand darauf, dass die politische Theorie des Marxismus
immer neu theoretisch und praktisch erarbeitet werden
müsse und der Fundierung durch „Realanalyse“ (das war
eines seiner Lieblingswörter) bedürfe. Ohne fundierte
historische Kenntnisse, ohne die Präzision der juristi-
schen Analyse und schließlich ohne gründliche Analyse
der bestehenden gesellschaftlichen und politischen Ver-
hältnisse bleibe die Theorie abstrakt, sie verkomme zu
bloßer Ideologiekritik, ohne jede Verbindung zur Praxis
der sozialen und politischen Auseinandersetzungen.
Diese Maßstäbe vermittelte er seinen Schülern, darunter
der außerordentlich großen Zahl seiner Doktoranden, die
unter anderem über den Faschismus, über die Geschichte
der Arbeiterbewegung, über Ideengeschichte der Politik
oder über Parteien, Wahlen und lokale Politik forschten.
Mit seinen Schriften zur Geschichte der deutschen und
europäischen Arbeiterbewegung leistete Abendroth Pio-
nierarbeit auf einem interdisziplinären Forschungsfeld,
das bis dahin in der Bundesrepublik – im ideologischen
Klima des Kalten Krieges – von der Geschichtswissen-
schaft, der Politikwissenschaft, aber auch der Kulturge-
schichte weitgehend ignoriert worden war. Seine
„Sozialgeschichte der europäischen Arbeiterbewegung“
wurde – ebenso wie die „Einführung in die politische Wis-
senschaft“ (1968) – in zahlreiche Sprachen übersetzt und
wird noch heute als Standardwerk benutzt.
Dass Abendroth eine Persönlichkeit mit außerordentli-
cher Ausstrahlungskraft war, wurde von seinen Freunden
und Feinden anerkannt. Abendroth war ein großartiger
Redner, dessen Vorlesungen meist überfüllt waren – er
war rührend um seine Assistenten und Schüler bemüht.
Seine Wirkung ist folglich nicht allein über die große Zahl
der Professoren, Lehrer, Journalisten, aber auch der Ge-
werkschaftsfunktionäre und Berufspolitiker zu erschlie-
ßen, die sich – obwohl unterschiedlichen politischen Posi-
tionen zuzurechnen – als Schüler von Wolfgang Abend-
roth bekennen.
Wolfgang Abendroth war ein großartiger, kluger und kluger und en-
gagierter Humanist!
Dirk Krüger