Albert Norden – Das spanische Drama

10. Juli 2022

17. Juli 1936 – Putsch der Generale gegen die Spanische Republik

Sie reden vom Abendland und meinen – Erz

Vor den Kulissen des blutigen spanischen Geschehens ergingen sich die faschistischen Führer, allen voran die Herren des „Dritten Reiches“, in tönenden Reden über die Wahrung der heiligsten Güter.

Hinter den Kulissen feilschten sie um Erz.

Vor den Kulissen trug Hitler, wie Goebbels auf dem Naziparteitag im September 1936 sagte, „die Fahne der Kultur, der Menschheit und der Zivilisation für Europa und die Kultur des Abendlandes“.

Hinter den Kulissen erwies sich diese Fahne als blutbeschmiertes Piratenbanners eines Räubers, der auf Zivilisation und Kultur, auf Abendland und Menschheit pfiff, um als getreuer Eckart der Interessen des deutschen Finanzkapitals aufzutreten.

Vor den Kulissen wurde, wenn man dem offiziellen SS-Organ, „Das Schwarze Korps“, vom 8. Juni 1939 glauben wollte, „an den spanischen Fronten die abendländische Kultur verteidigt“.

Hinter den Kulissen redeten die faschistischen Hierarchien die weniger erhabene Sprache der Zahlen und Dividenden, stritten sie verbissen um den Anteil an dem, was dem spanischen Volk gestohlen wurde.

Vor den Kulissen pries man Franco als Held und Roland des 20. Jahrhunderts.

Hinter den Kulissen setzte man ihm die Pistole auf die Brust, um ihn zur schnelleren Auslieferung der spanischen Rohstoffquellen zu zwingen.

Vor den Kulissen gaben sich die Herren des „Dritten Reiches“ als die selbstlosen Helfer des „nationalen“ Spanien aus.

Hinter den Kulissen pochten diese Shylocks der Neuzeit auf ihren Schein und heischten Zahlung mit Zins und Zinseszins für jedes Geschütz, für jedes Flugzeug, für jeden Mann.

Vor den Kulissen tobte der mörderische Krieg zwischen dem Weltfaschismus und dem spanischen Volk.

Hinter den Kulissen tobte ein zweiter Krieg: der erbitterte Kampf unter den faschistischen Gaunern um die Beute.

Schon frühzeitig hatten die deutschen Trusts im Wirtschaftsleben Spaniens eine bedeutende Rolle erobert. Das gilt besonders für den IG-Farben-Konzern, der eine monopolartige Position in der Herstellung von Farbstoffen in Spanien einnahm, für die beiden deutschen Elektrizitätstrusts AEG und Siemens, die große Fabriken zur Herstellung von elektrotechnischen Apparaten in Spanien besaßen, für Krupp mit Erz-, Stahl- und Eiseninteressen in Nordspanien und engen Verbindungen mit spanischen Schiffsbaufirmen, für die Hannoverschen Contiwerke mit zwei großen Fabriken zur Herstellung von Auto- und Gummireifen in Madrid, für die beiden Giganten der deutschen Hochfinanz, die Deutsche und die Dresdner Bank, die über ihre Filialen in Spanien nicht nur die dortigen, sondern auch große Geschäfte mit Südamerika abwickelten.

Kaum war Hitler zur Macht gekommen, da stellten die deutschen Trusts aus dem Bestand ihrer Angestellten das ganze Korps der Ortsgruppen- und Gauführung der Nazipartei in Spanien sowie fast alle dort postierten Gestapobeamten. In jeder Naziortsgruppe in Spanien – und es gab dort eine sehr große etwa 15 000 Deutsche umfassende Kolonie – wurden die jeweils zwei führenden Funktionäre, oft aber auch mehr, von den deutschen Firmen bezahlt. Es gab keinen Ortsgruppenleiter, der nicht sein volles Gehalt entweder von IG-Farben oder von Siemens und AEG oder einer der deutschen Großbanken bezog.

Diese Leute (…) waren also die politischen Exponenten des deutschen Finanzkapitals in Spanien, deren besondere Aufgabe darin bestand, mit den reaktionären Gruppierungen in den Parteien und der Armee beständigen Kontakt zu halten und die faschistischen Treibereien zu fördern, die seit der Abschaffung der Monarchie 1931 das Land periodisch erschütterten.

Die Himmlersche Geheime Staatspolizei (Gestapo) operierte in Spanien unter der harmlosen Bezeichnung „Hafendienst“, der sich übrigens keineswegs auf die spanischen Häfen beschränkte. Am 20. Juli 1936, als der faschistische Militäraufstand in Madrid und Barcelona niedergeschlagen worden war, wurden im Verlauf von Haussuchungen an den Sitzen der Landesgruppe der Nazipartei und ihrer Nebenorganisationen Materialien gefunden, aus denen hervorgeht, daß sämtliche 50 Hafendienstleiter der Gestapo von deutschen Firmen angestellt und voll bezahlt worden waren. Ihr erster Chef, Karl Cords, war ein höherer Angestellter des Siemens-Konzerns, der auch den Landesgruppenführer der Nazis für Spanien, Walter Zuchristian, stellte und finanzierte. Dieser „Hafendienst“ befaßte sich mit allem, von der Anwerbung spanischer Politiker und anderer Agenten bis zur Überwachung des Schiffsverkehrs, von der Bespitzelung politischer Gegner bis zum Menschenraub.

(…)

Spaniens Erdschätze lockten schon die Eroberer des Altertums und den größten Wucherer der beginnenden Neuzeit, Jakob Fugger, diesen Finanzier von Päpsten und Kaisern, dessen gefürstete Augsburger Nachkommen in der CDU Konrad Adenauers eine Rolle spielen. Neben Kupfer, Quecksilber und Schwefelkies haben Spaniens Erze stets das deutsche Finanzkapital magnetisch angezogen. Denn Erz muß zur Kohle kommen, wenn Eisen und Stahl entstehen soll. Die Kohlefeuerung muß das Erz umschmelzen, damit Maschinen, Werkzeuge und Waffen produziert werden können.

(…) Als seit Mitte der zwanziger Jahre dem deutschen Imperialismus die Schwingen wieder zu wachsen begannen und seine extremsten Vertreter 1933 die politische Macht antraten, da richteten sie ihre gierigen Blicke vor allem auch auf die hocheisenhaltigen (..) Erze Spaniens und Spanisch-Marokkos, und die Aufrüstung und Remilitarisierung des „Dritten Reiches“ voranzutreiben. Sie hätten das Erz im friedlichen Austausch einhandeln können. Aber das Finanzkapital will herrschen, und darum trachteten die deutschen Finanzkapitalisten nach dem Monopolbesitz der spanischen Erzgruben (…).

Freilich, solange eine souveräne spanische demokratische Regierung existierte, blieben solche Pläne auf dem Papier. Darum betrieb der Hitlerfaschismus den Sturz der rechtmäßigen spanischen Regierung. (…)

Der raffgierige Göring nahm die Sache persönlich in die Hand. (…)

Eine Woche später erfolgte in Burgos, dem Sitz Francos, die Unterzeichnung eines Protokolls, das mit den Worten schließt: „Die spanische Nationalregierung wird die Gründung von spanischen Gesellschaften für die Erschließung und wirtschaftliche Nutzung von Bodenschätzen und sonstigen Rohstoffen und für andere wirtschaftliche Zwecke unter Beteiligung deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Firmen erleichtern.“

Dieser Geheimvertrag trägt die Unterschrift von Francos Außenminister Jordana und deutscherseits von General Faupel und eines Mannes, der auf den sinnigen Namen Wucher hört.

Mit diesem Protokoll in der Tasche suchten die deutschen Imperialisten Franco abzuknöpfen, was nur eben möglich war, und die englische Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen.

(…)

Die Dinge spitzen sich zwischen Nazis und Frankisten beträchtlich zu. Göring (…) schrie nach „Sicherstellung der deutschen Kriegsbeute … Herr von Jagwitz solle sich unverzüglich nach Salamanca begeben und dem General Franco `die Pistole auf die Brust setzen`.“

So war das also! In Spanien wurden die Militärfaschisten gegen das Volk bewaffnet und gehetzt, dort starben Hunderttausende, damit die Göring, Krupp und Konsorten billigst zu ihren Rohstoffen kamen. Wir führen Krieg, sagten sich die Görings, und trieben auch viele Hunderte Deutsche in den Schlachtentod. Darum her mit dem Profit, her mit der Beute! Erz für Blut! Auch die vornehmen Aristokraten des Auswärtigen Amtes, der Minister von Neurath und sein Schwiegersohn, Staatssekretär von Mackensen, vergaßen ihre Kinderstube, ließen alle Zurückhaltung fallen und wurden pampig. Neurath schickte am 30. November 1937 ein Geheimtelegramm an den deutschen Botschafter bei Franco:

„Im besondern müssen wir darauf bestehen, daß der Hauptanteil der Erz- und Eisenausbeute aus den Gruben von Bilbao und Asturien uns vorbehalten bleibt und daß des weiteren eine uneingeschränkte Konzession für den Schrottankauf gegeben wird … Eine Begünstigung Englands … werden wir keinesfalls hinnehmen. Sollte General Franco ausweichend antworten … so bitte ich, ihm unmißverständlich zu erklären, daß wir uns in diesem Fall leider gezwungen sehen würden, auch unsererseits unsere Haltung gegenüber nationaler spanischer Regierung … zu überprüfen.“

Drei Tage später telegrafiert Mackensen an den deutschen Botschafter, um ihm mitzuteilen, daß „der Generaloberst (Göring – A. N.) zu den letzten Konsequenzen entschlossen sei, wenn nicht der Generalissimus (Franco – A. N.) unsere Interessen in absolut klarer Form sicherstelle.“

So geht das noch ein ganzes Jahr lang hin und her. In der Öffentlichkeit behängt man sich gegenseitig mit Großkreuzen, Adlersternen und anderen Orden. Untereinander betragen sich die Herrschaften als das, was sie waren und sind: Räuber, die einander nicht über den Weg trauen. (…)

Die Helden des republikanischen Spaniens hatten im Sommer 1938 den Angriff von 20 faschistischen Divisionen zur Eroberung Kataloniens in erbitterten Kämpfen zurückgeschlagen und waren ihrerseits trotz außerordentlicher Waffenunterlegenheit zum Angriff übergegangen, wobei sie in einer kühnen Operation den Ebro überschritten. Monatelang verteidigten sie erfolgreich den Brückenkopf. Wieder einmal schlug Franco in Berlin und Rom Alarm und flehte um neue Flugzeuggeschwader, Artilleriebatterien, Tanks und Soldaten. Das betrachteten die deutschen Faschistenführer als eine großartige Gelegenheit zur Erpressung. In „Geheimer Reichssache“ wandte sich das Reichswirtschaftsministerium am 18. Oktober 1938 an das Auswärtige Amt:

„Betrifft: Neue Materialanforderungen der nationalspanischen Regierung. Gegenwärtig wird die Frage der Lieferung neuer größerer Materialmengen nach Nationalspanien geprüft. In diesem Zusammenhang weise ich auf folgende zur Zeit noch schwebenden Fragen hin, die einer baldigen endgültigen Klärung bedürfen: (.) Endgültige Sicherung der deutschen Bergwerks- und Minenrechte in Nationalspanien.“ (…)

Nun begann ein erbauliches Hin und Her. Waffenbitten der spanischen Faschistenführer wechselten wochenlang mit kühlen Erklärungen der deutschen Faschistenführer, erst einmal die Bergwerkskonzessionen herauszurücken, bevor man die Großmaterialforderung Francos wohlwollend prüfen werde. Dieser suchte sich mit Teilkonzessionen aus der Affäre zu ziehen. Aber das nutze ihm nichts. Den spanischen Faschisten brannte das Feuer der Republikaner auf den Nägeln. Sie konnten nicht mehr warten. Am 21. November 1938 erschien Francos Botschafter in Berlin bei dem Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amtes, Woermann, und überbrachte im die schriftliche Zusage der Franco-Regierung, wonach das Aktienkapital der obengenannten Gesellschaften entweder ganz oder in großer Mehrheit in deutschen Händen konzentriert werden könne und damit die 80 baskischen Bergwerke und diejenigen von Spanisch-Marokko in den Besitz des deutschen Finanzkapitals übergingen. Triumphierend konnte Hitlers Botschafter bei Franco nach Berlin berichten:

„Wir haben unseren Willen durchgesetzt.“

Jetzt gingen im Eiltempo und ununterbrochenem Strom massive Waffenlieferungen der Hitlerfaschisten nach Spanien mit dem Ergebnis, daß am 23. Dezember 1938 300 000 italienische Legionäre, deutsche Faschisten und Franco-Soldaten mit 20facher Luftwaffenüberlegenheit, 30facher Artillerie- und 35facher Panzerüberlegenheit gegen 120 000 republikanische Soldaten vorstießen, von denen nur jeder Dritte ein Gewehr hatte.

Wir nannten eben den Unterstaatssekretär Ernst Woermann. Als in London 1937 das Nichteinmischungskomitee tagte, da taten in seinen Sitzungen Ribbentrop, Fürst von Bismarck – heute ein prominenter CDU-Politiker Bonns – und der damalige Botschaftsrat Woermann als Vertreter der Hitlerregierung auf. Munter leugnete Woermann mit seinen Kumpanen die Verschickung von Hitlereinheiten nach Franco-Spanien, er, dessen Vetter Kurt Woermann als Vorstandsmitglied und späterer Aufsichtsrat der Hamburger Woermann Linie AG selber an der Abfertigung der Dampfer teilnahm, die seit Ende Juli 1936 Hitlers Kanonen und das Kanonenfutter, Flugzeuge und Panzer nach Spanien brachten und auf der Rückfahrt die Beute an Bord nahmen und mit der Beute auch das, was sie kostete. Denn neben dem Erz standen die Särge, und in den Särgen lagen junge deutsche Männer, gefallen als Flieger und Kanoniere und Panzerbesatzungen, die ersten Toten des zweiten Weltkrieges. Und aus dem Erz wurden neue Waffen, deren Träger, für den Überfall auf andere Länder mißbraucht, zu Millionen starben, ohn` Ruhm und Ehr, verscharrt unter allen Himmelsstrichen, und ihr vergossenes Blut mehrte den Besitz der herrschenden Kriegsgewinnler Deutschlands.

Die Woermann-Reederei meldete in den Geschäftsberichten während des Spanienkrieges, daß „die Ausnutzung des Schiffsraums hundertprozentig befriedigend war“. (…) Die 6 Handelsschiffe, die während es Interventionskrieges in Spanien gestohlen und in die Woermann-Flotte eingereiht wurden, hüllte die Firma in schamhaftes Schweigen.

Der Botschaftsrat Woermann aber, dessen Familie an dem von ihm geleugneten Interventionskrieg so prächtig verdiente und den Transport der Todeskandidaten wie der Toten in eine Gewinnquelle verwandelte – dieser Woermann machte dank seiner im Nichteinmischungskomitee an den Tag gelegten Unverfrorenheit Karriere: Hitler beförderte ihn schließlich zum Unterstaatssekretär. Eine so blutschmutzige Ehe gingen Völkermord und kommerziell-politisches Geschäft im Hitlerfaschismus ein! Seine Untaten im zweiten Weltkrieg brachten Woermann im Nürnberger Wilhelmstraßen-Prozeß eine siebenjährige Gefängnisstrafe wegen Verbrechens gegen den Frieden und gegen die Menschlichkeit ein. Aber die amerikanische Regierung ließ ihn schon wenige Monate nach der Verurteilung wieder frei. Denn der Staatssekretär Woermann hatte ja schließlich „nur“ 52 000 slowakische Juden vernichten lassen und in ein Hitlersches Satellitenland nach dem anderen die Befehle zur Abfertigung von Todestransporten nach dem Osten ausgeschickt. Das verdient nach den Sittlichkeitsmaßstäben des heutigen Washingtons keine Strafe.

Albert Norden: Das spanische Drama, erweiterte und überarbeitete Ausgabe der Broschüre „Die spanische Tragödie, Berlin 1961, Seite 29 ff.