Aus dem Archiv: Rede zum 8. März 2016

7. März 2022

Von Sebastian Schröder, VVN-BdA Wuppertal

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Lebensläufe mutiger widerständiger Frauen sehen wir hier vor uns und werden ihre Arbeit und ihren Kampf, die sie auch für uns geleistet haben und in dem einige ihr Leben verloren haben, gleich näher kennenlernen.

Zwei Wuppertalerinnen könnten ebenfalls in dieser Ausstellung geehrt werden: Cläre Quast, verwitwete Muth, geborene Riedesel ,geboren 1902 und Waltraud Blass, geborene Ebbinghaus.

Die Textilarbeiterin und Gewerkschafterin Cläre Muth und ihr Mann Willi Muth sind schon vor 1933 antifaschistisch in Wuppertal aktiv, als Mitglieder der KPD sind sie oft in Auseinandersetzungen mit den faschistischen SA-Banden verwickelt.

Die Bedrohung, Verschleppung und Ermordung von Antifaschistinnen und Antifaschisten erreicht im Sommer 1933 in Wuppertal einen Höhepunkt: das KZ Kemna wird errichtet, als eines der ersten Konzentrationslager in Deutschland.

Cläre und Willi organisieren trotzdem unter ständiger Gefahr den Widerstand in den Betrieben und bauen mit großem Erfolg freie Gewerkschaften auf. Cläre nutzt ihre Kontakte zu den Elberfelder Textilarbeiterinnen um antifaschistische Informationen zu verbreiten, Mut zu machen und Aktionen zu initiieren.

Im Januar 1935 wird Willi verhaftet und noch im Polizeigefängnis in der Von-der Heydt-Gasse grausam ermordet. Cläre wird versteckt und kann schließlich im März nach Amsterdam entkommen.

Die Gestapo hat über 1200 Menschen im Bergischen festgenommen, der massive Widerstand in der Region sollte gebrochen werden. Mit Verhaftung, Folter und Mord verbreiten die Nazis Angst und Schrecken, ab Ende 1935 beginnen die Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse.

Albert Norden schreibt 1936: „Die Frauen geben an Kraft der antifaschistischen Gesinnung und Tat den Männern nichts nach. 658 der Angeklagten sind verheiratet. 658 Frauen stehen an den Besuchstagen vor dem Gefängnis, um das, was sie sich selbst vom Munde absparen, ihren Männern zu bringen. Die Herren Staatsanwälte und Gestapo-Kommandeure können diese Liebe, diese Solidarität nicht begreifen, weil sie selbst einer solchen nicht fähig sind. Sie haben die Frauen verhaftet und tagelangen Verhören unterziehen lassen, um zu erfahren, woher das Geld stamme. Sie sind nicht auf ihre Kosten gekommen.“

Cläre gründet mit anderen Antifaschistinnen und Antifaschisten in Amsterdam auf breiter Basis das Wuppertal-Komitee, das unter ihrer Mitwirkung eine wirksame Solidaritätsarbeit entfaltet: Aufklärung der internationalen Öffentlichkeit über Verbrechen und Folter, materielle Hilfe für Verfolgte und Angehörige, Anklage der Täter. Delegationen von Gewerkschaftern aus Holland und Frankreich reisen zu den Prozessen nach Wuppertal.

Seit 1936 lebt Cläre in Paris, wird von Deutschland 1937 ausgebürgert und arbeitet von Frankreich aus für eine gewerkschaftliche Organisierung der deutschen Textilarbeiterinnen. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wird sie verhaftet, kann aber 1941 nach Mexiko entkommen.

Sie bleibt eine wichtige Zeitzeugin und berichtet über die schrecklichen Ereignisse in Wuppertal bis sie 1984 in Berlin stirbt.

Die Ronsdorferin Waltraud Blass, geboren 1920, ist die Tochter von Hugo und Hildegard Ebbinghaus und wächst ebenso wie Cläre Muth in einer klassenbewußten und engagierten Familie auf. Trotz Verschleppung des Vaters in die Kemna und zweijähriger Haft des Bruders Egon schon zu Beginn der Naziherrschaft beteiligen sich die Familienmitglieder ab 1941 erneut im Widerstand. Anfang 1943 werden zunächst die Eltern verhaftet, einige Wochen später sperren die Nazis Waltraud in das Wuppertaler Polizeigefängnis. Gegen Jahresende wird sie in das Frauen-KZ Ravensbrück deportiert. Dort muss sie unter grausamsten Bedingungen weiter auf ihren Prozess warten und wird zur Zwangsarbeit bei Siemens in der Rüstungsproduktion eingesetzt.

Gegen dieses Unrecht -erlitten durch die Firma Siemens- strebt sie im Jahr 1990 einen Musterprozess an. Die Klage wird von den deutschen Gerichten zweimal abgewiesen. Die Ausbeutung der KZ-Häftlinge durch Zwangsarbeit wird in der Bundesrepublik nicht als fundamentales Verbrechen betrachtet. Waltraud berichtet unermüdlich vor jungen Leuten über die Naziherrschaft, über Ravensbrück und engagiert sich in der VVN-BdA gegen alte und neue Nazis, für Frieden und eine solidarische Gesellschaft. 2009 ist sie gestorben.

Heute am internationalen Frauentag fordern wir ein würdiges Gedenken für diese beiden Widerstandskämpferinnen!

Wir fordern heute eine Cläre-Quast-Straße und eine Waltraud -Blass Straße in Wuppertal!

Denn erinnern und ehren bedeutet die Namen nennen und die Geschichte zu kennen.

Damit diese heldenhaften Frauen niemals vergessen werden.

Ich danke Ihnen.