Staatlich sanktionierter Mord
12. März 2021
USA: An Covid-19 erkranktem politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal wird Verlegung in Klinik verwehrt. Es geht um Leben und Tod
Von Jürgen Heiser in junge Welt vom 13. März 2021
Die jüngsten Meldungen aus Pennsylvania sind alarmierend: Der an Covid-19 erkrankte politische Gefangene Mumia Abu-Jamal wird nicht etwa in eine Klinik verlegt, wie es allein aus humanitären Gründen geboten wäre, um sein Überleben zu garantieren. Statt dessen wird er in der Krankenstation des US-Staatsgefängnisses SCI Mahanoy in Frackville (Pennsylvania) von der Außenwelt isoliert. Das teilte Noelle Hanrahan von Prison Radio in ihrem jüngsten Newsletter mit. Ohne jede öffentliche Kontrolle müsse klar sein, dass dies »eine Situation ist, in der es um Leben und Tod geht«. Deshalb sei eine sofortige Mobilisierung öffentlicher Proteste erforderlich, so Hanrahan.
Abu-Jamals völlige Abschirmung hat indes nichts mit der Coronapandemie zu tun. Die Gründe sind vielmehr im wachsenden öffentlichen Interesse an seiner prekären gesundheitlichen Situation und in den Protesten dagegen zu suchen, dass dem seit 1981 unschuldig wegen eines untergeschobenen »Polizistenmordes« inhaftierten Ex-Black-Panther und Journalisten weiter ein faires Berufungsverfahren verweigert wird.
Laut Hanrahan wird ihm seit der Verlegung auf die Krankenstation im Mahanoy-Gefängnis sein rechtlich garantierter Zugang zu einem Telefon und seinem Tablet verwehrt, mit dem er an ihn gerichtete E-Mails lesen könnte. Beide von der Zensur überwachten Kommunikationswege konnte er bislang ungehindert nutzen. Somit unterliegt der Bürgerrechtler nun einer faktischen Kontaktsperre gegenüber den Anwältinnen und Ärzten seines Vertrauens sowie seiner Familie, seinen Unterstützern und den Medien.
Der 66jährige Abu-Jamal befindet sich ausgerechnet wieder in jener Krankenstation, in der er schon über Jahre nicht angemessen medizinisch versorgt worden war. 2015 hatte er dort durch die systematische medizinische Unterversorgung einen diabetischen Schock erlitten und war in akute Lebensgefahr geraten. Nur durch die Verlegung auf die Intensivstation eines Krankenhauses konnte er damals gerettet werden.
Seine Situation ist typisch für Gefangene im US-Bundesstaat Pennsylvania, dessen Gefängnisbehörde die medizinische Versorgung für Häftlinge »ausgelagert« hat, was sich gerade in Zeiten der Coronapandemie verheerend auswirkt. Der Privatkonzern »Correct Care Solutions« (CCS) ist seit langem Betreiber der Krankenstation im Mahonoy-Gefängnis. 2018 fusionierte das heute nach eigenen Angaben US-weit »in 550 Einrichtungen von lokalen, Staats- und Bundesgefängnissen sowie Lagern für Geflüchtete« tätige marktführende Unternehmen mit dem Konkurrenten »Correctional Medical Group« und nannte sich fortan »Wellpath«. Das Firmenmotto des in Nashville, Tennessee, ansässigen Konzerns erklärt bestens den neuen Namen: »Der gute Weg zu Hoffnung und Heilung«. 2017, im letzten Jahr vor der Fusion, machte CCS einen Umsatz von 1,2 Milliarden US-Dollar mit der Betreuung von rund 300.000 Gefangenen pro Tag. Wie die ganze Gefängnisindustrie wirft auch das privatisierte Geschäft mit den krankmachenden Haftbedingungen unermessliche Profite ab.
Abu-Jamal plagen nach einer aktuellen Stellungnahme seines Vertrauensarztes Ricardo Alvarez derzeit »multiple Erkrankungen«. Mit diesen »Folgen des Stresses der Haft« gehöre er »genau zu den Patienten der Hochrisikokategorie«, die an Covid-19 erkrankten, erklärte der Arzt, der nach wie vor nicht zu seinem Patienten vorgelassen wird. Abu-Jamals »Alter, seine Leberschädigung, sein Bluthochdruck und seine kongestive Herzinsuffizienz« erforderten »eine ständige fachärztliche Überwachung und Behandlung«.
Seit der Covid-19-Infektion hat Abu-Jamal rund 14 Kilo an Gewicht verloren. Hautausschläge bedeckten laut Hanrahan seinen ganzen Körper mit »trockenen, rissigen und blutigen offenen Wunden«. Doch Diagnose und Behandlung würden hintertrieben, und isoliert in der Krankenstation käme er an die lindernden Salben, mit denen er sich in seiner Zelle selbst behandelte, nicht heran. Deshalb bekräftigten Hanrahan und Alvarez, »Mumias einzig richtige Behandlung« sei »seine Freilassung«. Er müsse umgehend »von den Bedingungen des staatlich sanktionierten Mordes befreit werden«.
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