Miserable Tradition
14. November 2021
Viele Gründe gegen die Aufführung der »Feuerzangenbowle«
Von Sebastian Schröder
Die meisten kennen Heinz Rühmann in »Die Feuerzangenbowle« als schusselig-sympathische Figur Pfeiffer. Die Komödie spielt im Kaiserreich und handelt von einem Erwachsenen, der wieder in die Schule zurückkehrt, und den daraus entstehenden Verwicklungen. Wir kennen die Figur Pfeiffer, weil der Film seit 1969 regelmäßig im Ersten und den dritten Programmen der ARD ausgestrahlt wird, vorzugsweise in der Weihnachtszeit und um Silvester. Die ARD begründet dies auch heute damit, dass es »ein deutscher Filmklassiker« sei, »der sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut«.
Gedreht 1943, uraufgeführt im Januar 1944 – jetzt erklärt sich das unbestimmte ungute Gefühl, das sich beim Schauen einstellt. Natürlich wurde kein Film im Faschismus ohne Hintergedanken gemacht, auch die scheinbar harmlosen Filme haben ihre Funktion in der NS-Propaganda erfüllt.
Dieser Film von 1944 verklärt die Vergangenheit des wilhelminischen Obrigkeitsstaates und transportiert unterschwellig Elemente der NS-Ideologie wie »Rasse« oder Gehorsam. Damit verfolgt er das Programm des Faschismus und steht im Gegensatz zu unseren zentralen demokratischen Werten wie Vielfalt und Toleranz. Noch wichtiger war allerdings die Funktion des Films in der Kulturpolitik von Propagandaminister Goebbels: »Die Feuerzangenbowle« war ein attraktives Mittel, um viele Menschen im Kino von Krieg und Diktatur abzulenken, und dadurch auch unverzichtbarer Teil der »Durchhalte«-Propaganda des Naziregimes.
Wir kennen Heinz Rühmann, seine Stimme mit seiner sich einprägenden Art zu sprechen vor allem aus der »Feuerzangenbowle«. Goebbels hat Rühmann verehrt und ihn vielfältig eingebunden, Rühmann war einer der bestbezahlten und bekanntesten Schauspieler und hat sich bei Hitler und Göring persönlich für die Aufführung des Films eingesetzt. Als Regisseur hat er 1940 den jährlichen »Geburtagsfilm« für Goebbels gedreht – zu dessen vollster Zufriedenheit. 1944 wird Rühmann auf die »Liste der Gottbegnadeten« gesetzt, ein Privileg nur für die im Faschismus Bekanntesten und Wichtigsten aus Kunst und Kultur. Rühmann war Nutznießer und Stütze des Regimes. Auf der anderen Seite der Tod eines Menschen: Der Autor des von Kindern im Film vorgetragenen Kanons »Der Frühling liebt das Flötenspiel doch auch auf der Posaune«, Erich Knauf, wurde am 2. Mai 1944 wegen »defätistischer Äußerungen« im Zuchthaus Brandenburg enthauptet.
Seit Beginn der Ausstrahlung des Films wird in der Bundesrepublik die Debatte um die Geschichte und die Bedeutung des Films geführt. Die künstliche Popularität der »Feuerzangenbowle« ist bis heute ein wichtiger Teil der Verharmlosung des deutschen Faschismus. Rühmann war Superstar sowohl im Faschismus als auch in der Bundesrepublik. Er verkörpert die Einstellung des »es war ja alles nicht so schlimm«.
Aber es ist noch viel schlimmer: Die Rechte für jede öffentliche Aufführung liegen seit den siebziger Jahren bei Cornelia Meyer zur Heyde aus Münster. Sie entscheidet, ob, in welchem Kontext und wo der Film außerhalb der Öffentlich-Rechtlichen gezeigt werden darf, und erhält dafür eine Lizenzgebühr. Meyer zur Heyde war im Vorstand der AfD Münster und ist im rechten Hayek-Club Münsterland aktiv. Sie erlaubt ausschließlich Aufführungen zu unterhaltenden Zwecken. In kritische Diskussionen eingebettete Aufführungen untersagt sie immer.
Das Festhalten der ARD an regelmäßigen Ausstrahlungen führt direkt zu Lizenzgewinnen von Frau Meyer zur Heyde, denn »Die Feuerzangenbowle« bleibt präsent und bekannt. Die ARD hat die Fernsehtradition »Feuerzangenbowle« geschaffen – die ARD soll diese miserable Tradition endlich beenden. Die Kreisvereinigungen Wuppertal und Münster der VVN-BdA treten der Aufführung des Films in Kinos, Universitäten etc. entgegen und informieren die Öffentlichkeit vor der Aufführung über die Hintergründe und die Nutznießer.
In Damme/Niedersachsen wird »Feuerzangenbowle« am 13. Dezember im Kunst + Kulturkreis Damme vorgeführt, am 11. Dezember in Fürstenwalde/Spree durch das Jugendbildungswerk Berlin-Brandenburg. Auf unsere Hinweise und Aufforderungen zur Diskussion haben beide Institutionen bisher nicht reagiert. Wir lehnen ab, wofür der Film steht: die Verharmlosung und Normalisierung des deutschen Faschismus nach dem 8. Mai 1945. Wir fragen die Fans des Films, welche Gründe für die Ausstrahlung sprechen. 1994 hat Georg Seeßlen gesagt: »›Die Feuerzangenbowle‹ ist weder ein ›guter‹ noch ein ›böser‹ Film. Dieser Film ist, leider, auch kein unschuldiger.«