Krasner im Wahlkampf
21. Februar 2021
Jürgen Heiser in junge Welt vom 22. Februar 2021
Bezirksstaatsanwalt von Philadelphia lehnt Neuverhandlung von Mumia Abu-Jamals Berufungsanträgen ab
Als der frühere Bürgerrechtsanwalt Lawrence Krasner sich 2017 zum Bezirksstaatsanwalt von Philadelphia wählen ließ, verdankte er seinen überraschenden Sieg der schwarzen Wählerschaft. Er hatte versprochen, die Lage der vielen lebenslänglich und unschuldig inhaftierten Schwarzen zu verbessern – und es wurde ihm geglaubt. Nun steht Krasner in der Kritik, die Rechte des seit fast vierzig Jahren wegen untergeschobenen »Polizistenmordes« inhaftierten Journalisten Mumia Abu-Jamal zu beschneiden. Und der muss nun mit seiner Verteidigung Gegenmaßnahmen erarbeiten, statt Kolumnen für jW zu schreiben.
Auf einer Kundgebung vor dem Amtssitz des höchsten Anklägers der Stadt erklärte die Initiative »Mobilization For Mumia« am vergangenen Montag, Krasner sei »nicht der progressive Jurist, als der er sich ausgibt«. Am 3. Februar 2021 habe er eine Stellungnahme seiner Behörde bei Gericht eingereicht, in der er die Neuverhandlung von Abu-Jamals Berufungsanträgen vor dem Obersten Gerichtshof Pennsylvanias ablehnt. Damit trete er in die Fußstapfen seiner »korrupten Vorgänger«, die verhindert hätten, »dass Mumia seine Unschuld beweist«, und segne »das empörend rassistische Handeln von Richter Albert Sabo« ab. Der hatte Abu-Jamal im Sommer 1982 zum Tode verurteilt. 2011 wurde zwar das Todesurteil von einem Bundesgericht in lebenslange Haft ohne Bewährung umgewandelt, der Bürgerrechtler blieb jedoch weiterhin als »Polizistenmörder« abgestempelt und dazu verdammt, bis an sein Lebensende im Knast zu bleiben.
Krasners Eingabe richtet sich gegen die Berufungsrechte, die Richter Leon Tucker vom Kriminalgericht in Philadelphia Abu-Jamal Ende 2018 gewährt hatte (jW berichtete). Es erscheint insbesondere deshalb als widersinnig, dass Krasner die Überprüfung des Unrechtsurteils gegen Abu-Jamals Fall verhindern will, weil er im Rahmen seiner Reformen 18 unschuldig verurteilte Gefangene freiließ, deren Urteile wie im Fall Abu-Jamals auf Falschaussagen, manipulierten Beweisen und Rechtsbeugungen basierten.
Zu verstehen ist Krasners Verhalten nur, wenn man weiß, dass er sich aktuell im Wahlkampf befindet. Im kommenden Mai will er sich in den Vorwahlen der Demokraten in Pennsylvania erneut als Kandidat für das Amt des Bezirksstaatsanwalts aufstellen lassen. Dabei hat er es mit Gegnern wie dem Politischen Aktionskomitee, PAC, zu tun. Die darin organisierten pensionierten Polizisten wollen Krasner loswerden. Man halte nichts von »schwachen Staatsanwälten, die sich zu oft auf die Seite der Kriminellen stellen und nicht auf die der Opfer«, erklärte PAC-Präsident Nick Gerace der Tageszeitung The Philadelphia Inquirer.
Dass Krasner Cops vor Gericht brachte, weil sie im Dienst jemanden getötet oder antirassistische Demonstranten verprügelt hatten, nahm ihm neben dem PAC auch die rechte Polizeibruderschaft FOP übel. »Wir sind für jeden außer Krasner«, machte der örtliche FOP-Chef John McNesby vor der Presse klar. Nesby würde »sogar Exbezirksstaatsanwalt Seth Williams bevorzugen«, der bis April 2020 drei von fünf Haftjahren im Bundesgefängnis absaß, weil er in 29 Fällen Bestechungsgelder kassiert und Pflegegeld seiner Mutter veruntreut hatte. Williams gehörte zu denen, die zur Freude der FOP jahrelang die Hinrichtung Abu-Jamals forderten. Eine realistischere Alternative für die Kandidatur könnte vor allem der frühere Staatsanwalt Carlos Vega sein, der noch eine Rechnung mit seinem Exchef offen hat. Krasner hatte ihn 2018 geschasst, weil Scharfmacher Vega sich dessen Reformen widersetzte.
Opfert Krasner also möglicherweise Abu-Jamal, um seine schärfsten Gegner milde zu stimmen? Seine Gegner in Kreisen enttäuschter schwarzer Wähler bringen da noch einen ganz anderen Kontrahenten ins Spiel. Laut einer »anonymen Quelle«, so der Inquirer, wurde der afroamerikanische Richter Leon Tucker, der Abu-Jamal eine Berufungschance geben wollte, gedrängt, sich jetzt für den Posten des Bezirksstaatsanwalts zu bewerben. Tucker ist nicht uninteressiert, er hatte früher schon einmal erwogen, sich gegen den korrupten Seth Williams aufstellen zu lassen. Einen Kommentar zu dem Bericht lehnte er jedoch ab.
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