Albert Norden 1953: Haltbare internationale Kunstseidenfäden
23. August 2020
Soviel Inzucht wie unter den Wuppertaler Patriziern findet man selten. Das ist eine Clique von höchst exklusiven Textilherren, deren Urgroßväter noch fortschrittsfreudig den Vorträgen eines jungen Mannes namens Friedrich Engels Beifall spendeten. Freilich, als ihre Arbeiter vor 100 Jahren begannen, dem politischen Patronat der Lohnherren zu entsagen, da huldigten diese sehr schnell einer harten Unternehmerphilosophie, die durch den in Wuppertal einflußreichen Pietismus gewiß nicht gemildert wurde. Und so wuchs an der Hofaue, die von Elberfeld nach Barmen führt, ein Typus heran, der es an konservativer Unnachgiebigkeit mit den Schwerindustriellen im benachbarten Ruhrrevier wohl aufnehmen konnte.
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Einer der markantesten Repräsentanten dieses Geschlechts, Abraham Frowein, begründete seinen Reichtum durch die Herstellung von Bändern, Kordeln und Litzen. Von der Firma Frowein und Co. aus, die solch hübsche und nützliche Dinge erzeugte, nahm er seinen Aufstieg, der bald den Spitzenfabrikanten in die Spitzenstellungen der deutschen Industrie führte. Er wurde Vorsitzender der Verbände der Seidenwebereien und der Seidenbandindustrie und stellvertretender Vorsitzender der „Internationalen Seidenvereinigung“. Gleichzeitig betätigte er sich als Verbindungsgeneral der verarbeitenden Industrie zur Schwerindustrie und schuf gemeinsam mit den Kohle-, Stahl-, Eisen- und Chemie-Königen den „Reichsverband der deutschen Industrie“, die zentrale Unternehmerorganisation des Reiches.
Wenn er im Reichsverband den Vorsitz der Kartellstelle übernahm, dann hatte das seinen guten Grund. Frowein – man muß eigentlich im Plural sprechen, denn mit ihm beherrschen andere Mitglieder seiner Familie die Wuppertaler Textilindustrie – spielte im internationalen Kunstseidetrust mit seinen zahlreichen Kartellverträgen keine geringe Rolle. Als Aufsichtsrat von Bemberg, diesem größten Produzenten von Kunstseide und 20 Millionen RM starken Pfeiler des Kunstseidetrusts, „Allgemeine Kunstseide-Union“ (AKU), holte Abraham Frowein seinen Bruder Kurt in den Vorstand, dessen Vorsitz er übernahm. Tochterfabriken entstanden in schneller Reihenfolge in Italien, Amerika, England und Japan, in deren Direktoraten immer wieder der Name Frowein auftaucht.
Unter dem Kaiser war Abraham Frowein kaisertreu. Als Stadtverordneter der Deutschnationalen Volkspartei half er die Republik zu untergraben, machte aber unter ihr keine schlechten Geschäfte, wovon die wachsende Zahl seiner Aufsichtsratsposten zeugte. Seine große Zeit brach mit Hitlers Machtübernahme an. Wenn auch seine Frau auf den verdächtigen Namen Cohnitz hörte, so muß Frowein, dessen Beziehungen zu Goebbels bis in das Jahr 1930 zurückreichen sollen, sich jedenfalls bedeutende Verdienste um die Nazipartei erworben haben, denn er wurde und blieb Präsident der deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer und deren Ehrenpräsident. 1934 berief die Hierarchie des „dritten Reiches“ ihn in die „Akademie für deutsches Recht“, in der er mit dem Blutsäufer Roland Freisler zusammensaß. Man fand Frowein auch im Verwaltungsrat des deutschen Außenhandels und in der Reichsnachrichtenstelle, die nichts anderes als eine Spionageorganisation des „dritten Reiches“ war.
Das Bild wäre nicht vollständig, wenn seine Teilnahme an der Arisierung unerwähnt bliebe. Als der Tietzkonzern seinen jüdischen Eigentümern entrissen wurde, profitierte Frowein davon und nahm im Aufsichtsrat des Unternehmens Platz. Kein Wunder, daß er am 14. Juni 1938 in einer Festrede zum Jubiläum der Firma Frowein den „machtvollen Aufstieg Deutschlands unter Führung Adolf Hitlers“ pries. Im zweiten Weltkrieg gehörte er zum engsten Vertrauten- und Beraterkreis des Munitionsministers Speer, der im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Herr Frowein wurde nicht verurteilt, nicht einmal verhaftet. Im Gegenteil, im Frühjahr 1946 riefen ihn die englischen Behörden auf keinen geringeren Posten als den eines Präsidenten des deutschen Wirtschaftsrates im Westen. Das war allerdings ein wenig zuviel des Guten. Die Affäre wirbelte so viel Staub in der internationalen Öffentlichkeit auf, daß Abraham Frowein, der Nutznießer von Naziherrschaft und Pogromen, diese Stellung eines Wirtschaftsministers wieder aufgeben mußte.
Warum die Engländer gerade auf ihn verfallen waren, das ist bisher nie recht klar geworden. Aber es wird erlaubt sein, auf einige Zusammenhänge hinzuweisen, die geeignet sind, etwas Licht in das Dunkel der internationalen Beziehungen Abraham Froweins zu bringen. Als die Nazitruppen 1940 Holland überfielen und besetzten, geriet auch der internationale Kunstseidetrust zeitweilig unter deutsche Kontrolle. Präsident des Trusts war und ist auch heute noch ein gewisser Fentener van Vlissingen, dessen Beziehungen zu den Nazis im allgemeinen und den Froweins im besonderen so vorzüglich waren, daß er nicht nur auf einem Posten verharren, sondern zusammen mit anderen Wirtschaftsquislingen und holländischen Faschisten im Frühjahr 1941 ein großes Hafenunternehmen in Rotterdam gründen konnte.
Fußnote 1 (Es handelt sich um das Unternehmen „Neederlandsche Havenbedrijf“, an dessen Spitze mit Fentener van Vlissingen die Brüder van Beumingen traten, die seit dem Ende des ersten Weltkrieges die holländischen Unternehmen Krupps leiteten und in den späten zwanziger Jahren versuchten, durch Fabrikation eines angeblichen französisch-belgischen gegen Holland gerichteten Geheimvertrags die Niederlande an die Seite des deutschen Imperialismus zu treiben. Kaum publiziert, wurde der Vertrag als Fälschung entlarvt.)
In den Kreisen der internationalen Hochfinanz schadete das Fentener van Vlissingen offensichtlich nicht; denn schon wenige Monate nach Ende des zweiten Weltkrieges nahm er im Dezember 1945 in New York an den Beratungen das Exekutivkomitees der Internationalen Handelskammer als deren Präsident teil und erneuerte in Reisen nach England die zeitweilig unterbrochenen Beziehungen zum englischen Finanzkapital. Wir glauben zu wissen, daß bei diesen Gelegenheiten der Name Froweins als eines Kandidaten für leitende Wirtschaftspositionen in Westdeutschland auftauchte.
Wenn Herr Frowein trotz dieser Protektion abtreten mußte, so mag das vielleicht mit einer kleinen Affäre zusammenhängen, die für die Erwerbsgierigkeit dieses Millionärs charakteristisch und immer noch nicht bereinigt ist. 1929 war er in den Aufsichtsrat der Vereinigten Glanzstoff-Fabriken eingetreten und erfuhr von beträchtlichen Defraudationen und Schiebungen der Konzernleitung. Statt sie aufzuklären, ließ er sich von dem Generaldirektor Blüthgen unter Bruch der Statuten ein Jahresfixum von 4500 RM Korruptionsgeld bewilligen. Damit die Summe nicht unter Froweins Namen in den Geschäftsbüchern erschien, wurde sie auf dem beliebten Umweg über eine Filiale an seine Frau geschickt. Dem das Geld auszahlenden Beamten wurde ein Verschwiegenheitseid abgenommen. Herr Frowein ließ denn auch in der Tat Gras über die Steuerflucht des Konzerns wachsen. Wenn Göring und Konsorten den Prozeß, der wegen dieser Delikte angestrengt wurde, niederschlugen, so scheint diese nach dem zweiten Weltkrieg aufgedeckte Affäre Herrn Frowein veranlaßt zu haben, seine Tätigkeit etwas mehr in den Hintergrund zu verlegen. Dort ist er allerdings um so aktiver.
Die kluge Vorsicht seines Bruders Abraham, der zwar alle Praktiken des „dritten Reiches“ mitmachte, sich aber formell außerhalb der Nazipartei hielt, besaß Kurt Frowein nicht. Seit 1930 im Vorstand von Bemberg, trat er 1933 der Nazipartei bei, und es gab kaum eine chauvinistisch-alldeutsche Organisation, die ihn nicht in ihren Reihen sah, ob es der Reichskolonialbund oder der noch berüchtigtere „Volksbund für das Deutschtum im Ausland“ war. Im Oktober 1941 ließ er im „Bemberg-Adler“, der Zeitung des Unternehmens, schreiben:
„Der Betriebsführer trägt die Totalverantwortung für alles, was im Betrieb vorgeht.“
Sehen wir zu, was im Betriebe der Froweins vor sich ging. Durch die ganzen ersten Jahre der Hitlerdiktatur zogen sich die politischen Entlassungen von Arbeitern, und damit die Gestapo auch sofort wisse, wen sie zu verhaften habe, wurde die Kündigung immer mit der schriftlichen Begründung ausgesprochen, daß der Betreffende „sich nicht in unsere nationalsozialistische Betriebsgemeinschaft eingefügt“ habe. Stellen wir ausdrücklich fest, daß diese Entlassungen auf Initiative von Frowein erfolgten und auch von ihm unterschrieben wurden. Es blieb nicht bei Entlassungen In den bekannten Wuppertaler Massenprozessen wanderten Dutzende Bembergarbeiter ins Zuchthaus und KZ, manche auf Nimmerwiedersehen. Herr Frowein war`s zufrieden. Wenn er deutsche Antifaschisten politisch maßregelte und damit der Gestapo auslieferte, dann kann man sich vorstellen, wie er es mit den ausländischen Arbeitssklaven trieb. Uns liegt folgendes Dokument vom 31. Mai 1940 vor:
„Herr Frowein hat von Frau Wiedenroth erfahren, das uns Jüdinnen in jeder gewünschten Anzahl zur Verfügung gestellt werden können. Diese müßten garantiert unter Nachtschicht beschäftigt und – wenn möglich – in Baracken oder möglichst schlechten Wohnungen untergebracht werden. Herr Frowein schlägt 500 Jüdinnen vor.“
Wir werden dieses Zeugnis hochkapitalistischer Rassenpolitik durch keinen Kommentar abschwächen. Nicht besser als mit den jüdischen Arbeitskräften verfuhr man mit den wegen ihrer Billigkeit herbeigeholten Polen und Tschechen. Sie wurden so entsetzlich ausgehungert und angetrieben, daß sie in Massen zusammenbrachen, während andere im deutschen Speisesaal der Firma die Essensabfälle aufsammelten. Es gab – das sei zu ihrer Ehre gesagt – genug deutsche Arbeiter und Arbeiterinnen, die in ihren Kollegen und Kolleginnen von der anderen Nationalität den gleichwertigen Menschen sahen und sich dementsprechend verhielten. Da hatten sie freilich ihre Rechnung ohne Herrn Frowein gemacht, der am 5. Juli 1940 einen Erlaß herausgab und unterschrieb, in dem es heißt:
„Wir haben schon oft genug die Beobachtung gemacht, daß unsere Mädel und Männer sich mit den Tschechen und Polen unterhalten und zusammensetzen, als ob es sich nicht um unsere Feinde handele. Das dürft ihr nicht tun. Wir Deutsche dürfen uns nicht mit unseren Feinden und ehemaligen Feinden auf eine Stufe stellen.“
Dem Wort folgte die Tat, und Herr Frowein hat die Polen, die sich im deutschen Speisesaal aufhielten, nicht nur hinausjagen, sondern auch anzeigen lassen. Er forderte auch die Bestrafung von solchen, die ohne das „P“-Abzeichen angetroffen wurden. Er ließ über polnische Arbeitskräfte schwere Strafen verhängen.
Kurz, Herr Frowein ging mit den ausländischen Arbeitern wie mit Gefangenen um. Durch seine Betriebsleitung ließ er ab 1942 ausländische Arbeiterinnen, bei denen Schwangerschaft festgestellt wurde, wieder abtransportieren, aber erst, nachdem sie das Reisegeld abgearbeitet hatten. 1944 war der Arbeitermangel so groß geworden, daß man nun nicht mehr ans Wegschicken denken konnte, sondern von Betriebs wegen bei Russinnen und Polinnen zwangsweise Abtreibungen vornahm.
Tschechische Arbeiter flohen heimlich in Scharen, und als Herr Frowein sie von den „Protektorats“-Behörden zurückforderte, erhielt er am 19. Januar 1942 ein Schreiben das gewiß nicht nazifeindlichen Leiters des Arbeitsamtes Olmütz, und auch dieser Brief dürfte nicht ohne Interesse sein, wenn einmal internationale Gerichtshöfe sich mit Kurt Frowein beschäftigen sollten:
„Der größte Teil der Vertragsbrüchigen verweigert selbst bei Androhung strengster Strafen die Rückkehr zur Firma I. P. Bemberg AG, Wuppertal, mit der Begründung, daß die Verhältnisse bei dieser Firma unerträglich seien. Fast alle Vertragsbrüchigen beschweren sich über Lohnabzüge, zum Beispiel bei Fernbleiben aus der Arbeit, wenn dieses durch nachgewiesene Erkrankungen erfolgte. Es wurden mir Lohntüten vorgelegt, wonach Strafen von 20 bis 30 RM auf einmal von einem Wochenlohn abgezogen wurden, ohne Rücksicht darauf, daß die Betreffenden im Protektorat Familien haben.“
Es folgen Beschreibungen der unglaublichen Verhältnisse im überfüllten Wohnlager Bembergs mit seinen Wanzen und ungenießbarem Essen und dann die abschließende Feststellung des Arbeitsamtsleiters:
„Bei keiner Firma im Altreich kommen Vertragsbrüche in diesem Ausmaß vor, so daß anzunehmen ist, daß die vorgebrachten Beschwerden wenigstens teilweise berechtigt sind.“
Brechen wir die Schilderung der Praktiken Froweins ab und werfen wir noch einen kurzen Blick auf seine politische Konzeption. Aus der Flut von dokumentarischen Beweisen für seine infame annexionistische Propaganda seien einige Sätze aus seiner Weihnachtsrede 1942 vor der Bemberg-Belegschaft wiedergegeben:
„Großdeutschland zog im September 1939 aus, um das schreiende Unrecht von Danzig und den Wahnsinn des Korridors gutzumachen. Und was wurde daraus? Es wurden nicht nur diese beiden Punkte richtiggestellt, sondern Polen wurde von der Landkarte gestrichen, Dänemark wurde besetzt, Norwegen erobert, Belgien und Holland erobert,Serbien wurde vernichtet, Griechenland wurde erobert, Frankreich wurde besetzt und erobert sowie das halbe europäische Rußland… Das konnten wir erleben… ein jeder von uns muß dem Führer soviel Vertrauen schenken, wie er überhaupt nur geben kann. Wir wollen uns bewußt werden, daß wir den Kampf nur dann siegreich beenden können, wenn wir unentwegt und furchtlos kämpfen.“
Das ging so bis unmittelbar vor Toresschluß. Schließlich ließ Frowein auch Gasmasken und Volksstutzen im Betriebe produzieren, und noch zwei Tage vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen rief er in einem Appell die Belegschaft zur Treue zum „Führer“ auf!
Als 1947 die Düsseldorfer „Freiheit“ die braune Vergangenheit Kurt Froweins in Erinnerung brachte, ging dieser weder in sich noch ins Gefängnis, sondern zum Advokaten, um seine Ankläger mundtot zu machen. Denn wer so haltbare Kunstseidenfäden nach London und New York spinnt wie Kurt Frowein, der in der Leitung der angelsächsischen Filialen von Bemberg saß, darf wohl auf Unterstützung des internationalen Finanzkapitals rechnen, das sich heute in Westdeutschland bemüht, der Bevölkerung dieselben antikommunistischen Flötentöne beizubringen, die ihr seit dem tausendjährigen Reiche recht gut bekannt sind.
Die abendländische Kultur- und Atlantikgemeinschaft, diese feine Umschreibung für die weniger feine Kartellinternationale, findet heute keine flammerenden Apologeten als die Froweins. Der Einheit des gesamten Deutschlands ziehen sie die Einheit mit Mynheer Fentener van Vlissingen vor, der gestern Hitlers Kollaborateur und Schützling war und heute als Aufsichtsratsvorsitzender der AKU Schutzherr der Froweins und Vertrauensmann wichtiger britischer Finanzkapitalisten ist, deren Kapital bei AKU investiert wurde. Jedenfalls besitzt der im holländischen Arnheim beheimatete Kunstseidetrust teils direkt, teils über die in seinem Besitz befindlichen Vereinigten Glanzstoff-Fabriken die Mehrheit des Kapitals von Bemberg, in dessen Aufsichtsrat sich neben den Holländern die Abraham und Kurt Frowein wieder breitmachen.
Wie weit die Intimität zwischen den englischen regierenden Förderern des Nazismus und dem Gesindel um Hitler wieder gediehen ist, dafür zeugt der Eintritt von Helmuth Wohlthat in den Aufsichtsrat der Vereinigten Glanzstoff-Fabriken AG, Wuppertal. Jawohl, es handelt sich um denselben Wohlthat, der Ende Juli 1939 als hoher Beamter der Hitler-Regierung in London Chamberlains Angebot einer großen Anleihe und eines regelrechten antisowjetischen Bündnisses mit Hitler in Geheimverhandlungen entgegennahm.
[Eintrag im Braunbuch – Kriegs-und Naziverbrecher in der Bundesrepublik und in Westberlin, Reprint der dritten, erweiterten Auflage (1968), Berlin, 2002, Hrsg. Dr. Norbert Podewin: „Wohlthat, Helmuth C. H. V o r 1945: Ministerialdirektor; Beauftragter Görings für den „Vierjahresplan“; an der „Arisierung“ des Petschek-Konzerns und anderer jüdischer Unternehmen beteiligt; Mitglied der „Reichszentrale für jüdische Auswanderer“, die 1939 zur Vorbereitung der physischen Vernichtung der Juden gebildet wurde; 1941 als Wirtschaftsbeauftragter nach Japan entsandt n a c h 1945: Vorsitzender des Aufsichtsrates der Raffinerie AG, Duisburg; Aufsichtsratmitglied der Farbenfabrik Bayer AG, Leverkusen; Aufsichtsratmitglied der Commerzbank AG, Düsseldorf, und weiterer Gesellschaften]
Damals hatte er auch in freundschaftlich-profaschistischer Weise mit dem Unterstaatssekretär des Foreign Office, Mister R. A. Butler, zu tun, einem begeisterten Verfechter der Politik der Besänftigung und Beschwichtigung und Befriedung Hitlers. Mister Butler gehört zu den Vorbereitern und und Propagandisten des Münchener Abkommens, für das er auch im Unterhaus stimmte. Heute ist er Finanzminister der konservativen Churchill-Regierung und zertrümmerte zwecks Bezahlung der amerikanischen Aufrüstung die sozialen Errungenschaften des werktätigen englischen Volkes.
Warum wir das hier erzählen? Weil Mister Butler, dessen Schwiegervater, S. Courtauld, den englischen Kunstseidekonzern gründete, selber Hauptdirektor von Courtaulds Ltd. ist. Butlers Konzern aber besitzt gemeinsam mit den Vereinigten Glanzstoff-Fabriken die 20 Millionen Mark schwere Glanzstoff-Courtauld-Fabrik in Köln. Alte Liebe rostet nicht: Herr Wohlthat, ab 1940 Hitlers Bankkommissar für Holland, erfreut sich heute der Wohltaten seiner Freunde vom internationalen Kunstseidering London-Arnheim-Wuppertal und rechtfertigt den Titel, den er als Student der New-Yorker Columbia-Universität erwarb: „Meister der Kunst der politischen Wissenschaften“. Der Meister in der Kunst deutsch-englischer faschistischer Verschwörungen gegen die Sowjetunion hat es sehr weit gebracht: Ende 1951 berufen die IG-Farben-Herren den Wohlthat in den Aufsichtsrat der Farbenfabriken Bayer AG, Leverkusen (300 Millionen Kapital!). Im Frühjahr 1952 findet er auch seinen Weg in den neuen Aufsichtsrat des Mannesmannkonzerns.
Einige Jahre amerikanischer und englischer Okkupation Westdeutschlands genügten, um aus den im Frühjahr 1945 zitternden reichen Wegbahnern und Nutznießern des Naziregimes wieder arrogante Fabrikherren, Arbeiterverächter und aktive Offiziere im Kampf gegen den Fortschritt zu machen. Die großen Zeiten des mit 40 Aufsichtsrats- und Teilhaberposten gesegneten Geschlechts der Froweins sind noch nicht, noch immer nicht vorbei.
Albert Norden: Um die Nation – Beiträge zu Deutschlands Lebensfrage, Seite 360 ff., Berlin 1953, 2., verbesserte und erweiterte Auflage