Aus dem Archiv: Rede zum 8. Mai 2019
12. Juli 2020
Von Sebastian Schröder, VVN-BdA Wuppertal
Sehr geehrte Damen und Herren
Der 8. Mai 1945 ist der Tag der Befreiung vom Faschismus.
Wir gedenken heute in Wuppertal der ermordeten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, der ermordeten Kriegsgefangenen, aller Opfer des Faschismus.
In der von vielen Gemeinden, Parteien, Organisationen und Vereinen unterstützten Erklärung zu dieser Mahn- und Gedenkveranstaltung heißt es:
„Wir rufen (.) dazu auf, insbesondere die junge Generation zum Engagement gegen Krieg, Rassismus und Gewalt und für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung zu ermutigen.“
Wir wollen heute zum Frieden mahnen – dies heißt an die Schrecken des Krieges zu erinnern.
Der Tod der Jugend ist einer der Schrecken des Krieges – auf dem Soldatenfriedhof am Arrenberg liegen fast 500 gefallene Soldaten des Ersten Weltkriegs aus Elberfeld. Dort sind begraben: Ernst Henning Jahrgang 1898, 20 Jahre alt; Georg Velden Jahrgang 1899, 19 Jahre alt; Thomas Gomoletz Jahrgang 1900, 18 Jahre alt. Diese jungen Männer wurden 1918, im letzten Jahr des Krieges getötet, sie haben zuvor selbst getötet. Ihre Leichname wurden nach Elberfeld gebracht und dort bestattet. Sie hatten noch nicht gelebt.
Der Tod der Jugend ist einer der Schrecken des Krieges.
Die Bundeswehr ist eine der wenigen Armeen, die Minderjährige rekrutiert. Im Jahr 2018 waren knapp 1700 unter 18-Jährige SoldatInnen bei der Bundeswehr aktiv. Seit 2011 hat die Bundeswehr über 11.500 Minderjährige an Waffen ausgebildet. Dagegen protestiert die im März gestartete Kampagne „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“, in der sich dreizehn Friedens-, Kinderrechts-, Bildungs- und kirchliche Organisationen zusammengeschlossen haben.
Seit zwei Jahren gibt es Bundeswehrwerbung auf einem der Schwebebahnwagen.
Diese Werbung spricht gezielt Jugendliche an.
Wir möchten die Wuppertaler Stadtwerke bitten, dieses „Werben fürs Sterben“ von der weltberühmten Schwebebahn zu entfernen.
Diese Geste wäre in Wuppertal und weit über unsere Stadt hinaus ein großes und mutiges Signal für den Frieden.
Es gibt heute noch ungefähr 75 Denkmäler für die Gefallenen und die Opfer des Ersten und Zweiten Weltkriegs in Wuppertal.
Viele dieser Denkmäler sind Ausdruck des Hasses, der Gewalt und des Krieges.
Der Historiker Ernst Piper schreibt in seiner Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs: „(.) der Okkupation der Erinnerung an den Krieg durch die politische Rechte hatte die unter schwierigen Verhältnissen zustande gekommene Demokratie von Weimar so gut wie nichts entgegen zu setzen.“ „In radikaler Weise vereinnahmte die nationalistische Rechte“ die Gefallenen.
Das Kriegerdenkmal des 9. Lothringischen Regiments 173 am Freudenberg für ist ein herausragendes Beispiel für diese Vereinnahmung. Das Monument wurde 1929 eingeweiht und richtet sich in seiner Gestaltung und mit seiner Inschrift unverhohlen gegen Frankreich. Es entmenschlicht die ehemaligen Gegner und ruft zur Rache im Namen der 400 gefallenen Soldaten aus Elberfeld auf. Ein Abgeordneter der Deutschnationalen im Stadtrat sagte den Gegner*innen des Denkmals, sie seien es nicht wert zu „existieren“. Bruno von Mudra, der Kommandeur der Truppe im Ersten Weltkrieg, nahm an der Einweihung teil. Er war in der rechten Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) aktiv, hat als Verfechter der sogenannten Dolchstoßlegende und des Revanchekrieges gewirkt.
In unmittelbarer Nähe des Elberfelder Ehrenfriedhofs für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs am Arrenberg befindet sich seit 1959 das Ehrenmal der 1.Ostpreußischen Infanteriedivision. Hier soll nicht an die Gefallenen erinnert werden; die Rast der Division in Wuppertal auf dem Weg in den Krieg nach Frankreich im Jahr 1940 ist der Grund für die Errichtung des Steins.
Mit diesem Denkmal werden auch die im folgenden genannten hohen Offiziere geehrt. Viele sind als überzeugte Faschisten bekannt geworden, manche auch als berüchtigte Kriegsverbrecher.
Georg von Küchler war im Dezember 1941 in der Sowjetunion verantwortlich für die Ermordung von 230 psychisch kranken Frauen in der Anstalt Maskarewkaj Pustin und wurde hierfür im Nürnberger OKW-Prozess durch die Alliierten verurteilt. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, dass er auch die Ermordung weiterer 1200 psychisch kranker Menschen in Nikolskoje Ende 1941 befohlen hatte.
Joachim von Kortzfleisch war am 20 Juli 1944 Befehlshaber im Wehrkreis 3 in Berlin. Er verhinderte in dieser Position die Weitergabe der Befehle der neuen Anti-Hitler-Regierung und trug so maßgeblich zum Scheitern des Aufstandes vom 20. Juli bei.
Ernst-Anton von Krosigk war beteiligt an den Planungen des Massakers von Kamenez-Podolsk, bei dem im August 1941 23.600 jüdische Menschen ermordet wurden.
Egon Overbeck führte die 1. Division bis zur Kapitulation 1945. In den 50er Jahren wurde er zu einem der einflussreichsten Manager der BRD. Dieser Aufstieg war nur möglich durch die massive Förderung von Wilhelm Zangen, der seit den 30er Jahren Generaldirektor von Mannesmann war. Zangen wurde zum Wehrwirtschaftsführer ernannt, und wurde von Hitler und Göring als „überragende Führerpersönlichkeit“ gefeiert. Er setzte seine steile Karriere in der Bundesrepublik fort und protegierte Egon Overbeck, weil dieser ein führender Offizier der faschistischen Wehrmacht war.
Willi Winkler schreibt in seinem neuen Buch „Das braune Netz – Wie die Bundesrepublik von früheren Nazis zum Erfolg geführt wurde“ über Overbeck: „Nicht alle sagten es so unverblümt wie der langjährige Mannesmann-Manager (..), der als Major im Generalstab diente und das buchstäblich als Voraussetzung für seine spätere Arbeit sah. Sein (.) Lebensbericht (…) trägt den schönen Untertitel „Vom Generalstabsoffizier zum Generaldirektor“.“
Der hohe Offizier Theodor Tolsdorff tötete am 3. Mai 1945 in der Nähe von Traunstein in Bayern Franz Holzhey, nur zwei Stunden bevor die US-Armee den Ort befreite. Holzhey hatte zum Schutz des Krankenhauses ein Rot-Kreuz-Schild aufgestellt. Tolsdorff wollte Holzhey als Strafe dafür hinrichten lassen, doch das Erschießungskommando der Wehrmacht verweigerte den Befehl, so dass der Offizier den Gefangenen selbst erschoss. In der BRD wurde Tolsdorff 1960 trotz empörter Proteste der Traunsteiner Bevölkerung freigesprochen.
Der Vergangenheit – der Zukunft; so lautet die Inschrift des Denkmals der 1.Ostpreußischen Infanteriedivision
Die Schandflecken am Freudenberg und am Arrenberg sind Wallfahrtsorte für die alten und die neuen Ewiggestrigen – die nationalistische Rechte wird auch in Deutschland immer stärker. Ihr gehört nicht die Vergangenheit, und ihr darf nicht die Zukunft gehören!
Die Wuppertaler Bürger*innen möchten nicht an der Ehrung von offenen Feinden der Demokratie, von überzeugten Faschisten und grausamen Kriegsverbrechern beteiligt sein.
Deshalb kann heute, am 8. Mai, unsere Forderung an die Verantwortlichen unserer Stadt nur lauten: entfernen sie diese steinernen Rechtfertigungen des Tötens, diese steinernen Forderungen nach Gewalt und Krieg aus dem öffentlichen Raum.
Die Kunst- und Kulturpädagogin Mona Meis schreibt: „Vergleicht man die in der Wupperregion erhaltenen Kriegsdenkmäler – quantitativ, qualitativ und unter finanziellen Aspekten – mit den Denkmälern, die an Faschismus und Schuld, von deutschem Boden ausgehend, erinnern, so scheint es (…) bedauerlich,dass es keine breitere kritische Bewegung in der Region gibt, die diesem Mißstand angemessen begegnet.“
In Ronsdorf wurde 1981 von der Friedensbewegung ein Denkmal mit der klaren Botschaft -Nie wieder Krieg- eingeweiht.
Eine wunderbare Inschrift ziert die Gräber von 7 ausländischen Kriegsgefangenen des Ersten Weltkriegs auf dem Barmer Ehrenfriedhof. Der Verein der ehemaligen Kriegsgefangenen Barmen hat die Anlage angelegt und im Mai 1933 eingeweiht. Hier wird Soldaten aus Serbien, Belgien und Russland gedacht, die kurz vor Kriegsende in Barmen in Gefangenschaft gestorben sind.
‘Nicht Hass Sondern Liebe regiere die Welt!’
Die ehemaligen Kriegsgefangenen aus Barmen haben sich entschieden, den Weg des Gegeneinanders zu verlassen und haben ihr Leid durch den Krieg als gemeinsames Leid aller anerkannt. Sie zeigen, dass Menschlichkeit trotz des schrecklichen Krieges möglich ist.
Sie mahnen zu echtem Frieden, denn sie fordern für die Zukunft diese Menschlichkeit ein und rufen uns mutig zu:
‘Nicht Hass Sondern Liebe regiere die Welt!’
Überall auf der Welt werden als Zeichen des Friedens Bäume gepflanzt.
Schaffen wir in Wuppertal einen Ort, der unseren Willen zum friedlichen und solidarischen Miteinander zeigt.
Wir möchten die Bürger*innen, die Zivilgesellschaft, die Institutionen, den Oberbürgermeister und die demokratischen Parteien heute, am 8. Mai, dem Tag der Befreiung von Krieg und Faschismus, aufrufen: Lassen Sie uns auch in unserer Stadt einen Friedensbaum pflanzen.
‘Nicht Hass Sondern Liebe regiere die Welt!’